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Der Weg meines Lebens : Erinnerungen eines ehemaligen Chassiden / von Josef R. Ehrlich ; mit einem Vorworte von Josef Weilen
Entstehung
Seite
62
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K

Ihm weih' ich meine Tage, Dem Guten weih' ich ſie, Dann trüben Reu und Plage Den heitern Morgen nie!

Ich ſtand der mittlere Vers erſchütterte mich, da ich doch das Gegentheil während der Nacht empfunden hatte. Weil aber das Lied in einer wiegenden Melodie geſungen war, löſte es meine bewegte Seele ganz.Das heißt beten! rief es in mir,O nur der Tod kann mich dieſem Hauſe ent­reißen, kein Menſch, kein Samuel, kein Henker! Den erſten Schritt des Trotzes hab' ich gethan; nun, ich will fortan ihm trotzen, ihm beweiſen, daß dieſes Morgenlied mehr Muth, mehr Troſt, mehr Segen ſpendet als all die Gebete Ge­bete? Gemurmel, Gepolter, Geheul ich weiß ſchon, was ich thun werde. Derlei Worte ſinnend, begab ich mich auf meinen Platz.

Nachdem der Geſangmeiſter fortgegangen war, kam Ben Zion Barat und wir alle erhoben uns freudig und grüßten ihn mit Herz und Munde. Da die Strahlen der Morgen­ſonne ſchief und blendend hereinſchoſſen, ließ er alle Fenſter­Rolletten fallen, ein röthlicher Schimmer verbreitete ſich durch die Runde des Saales und muthete lieblich die Jünglinge an. Hierauf begann er mit innigem Vortrag ſeinen gewohnten Unterricht, und wir hörten und faßten ihn recht. Da ſprang plötzlich die Thüre auf, und mit ſpähenden Augen die Reihen durchforſchend, erſchien die Geſtalt des Samuel. Aha! rief erda ſitzt er! Herr Bratt ſprach er hierauf mit ſchwellenden Nüſternwas wißt ihr, was das für einRoßbojnyck iſt! Herr Bratt wenn Ihr ihn nicht auf dieſer Stelle, jetzt, vor meinen und Ihren Augen mit dieſem Riemen, den ich mitgebracht Hier unterbrach ihn Ben Zion Barat, und rief ihn mit ehrerbietiger Miene ins Vorhaus. Samuel folgte