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Der Weg meines Lebens : Erinnerungen eines ehemaligen Chassiden / von Josef R. Ehrlich ; mit einem Vorworte von Josef Weilen
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Seite
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NG

ihm ins Vorhaus, dieweil die ſtaunenden Jünglinge fragend mich anſahen. Ich aber erhob mich und ſprach die erbitterten Worte: Dieſer Schuſter, der nicht mein Vater iſt, nicht mein Vater ſein kann, will mich zwingen, daß ich ſtatt Leſen und Schreiben, mich unſinnig ſchaukele am Talmud . Wund und wund ſchlägt er mich Tag und Nacht, daß ich mit Thränen eſſe mein Brot und ſeufzend athme die Luft. Dieſes und Aehnliches ſprach ich, und ſchüttete ſo mein Herz vor den Jünglingen aus. Indeß fertigte weislich Ben Zion Barat den Samuel ab und kehrte wieder zurück.Ehrlich ſprach er mit ſanfterem Tone nach der Schule bleibe allein zurück, ich habe mit dir ein Wörtchen zu ſprechen. Nachdem die Schule zu Ende war, blieb ich alleine zurück und Ben Zion Barat ſetzte ſich zu mir in die Bank, wie ein Freund zum andern ſah mir in's Auge und ſprach:Siehſt du, Ehrlich, ich weiß wohl und wußte es ſchon längſt, in welche Kämpfe du mit Samuel gerathen wirſt. Auch ſehe ich aus alldem, was er mir erzählt, daß du im Rechte biſt, aber es genügt nicht das Rechte allein in ſolcher Lage zu thun. Wohl muß man das Wahre dem Falſchen vorziehen; wann? ſobald man genug mächtig geworden, das Falſche zu demüthigen und aus dem Wege zu räumen. Du biſt aber noch ſchwach und weckſt nur mit deinem Trotz den viel ſtärkern des Samuel, ohne ihn beſſer, und dich ſicherer zu machen. Daher will ich dir rathen: Sei klug, klug, indem du Sanftmuth zeigſt. Dein Denken und Fühlen verſchließe ganz vor ihm. So wenig du dem Samenkorn gebieten kannſt, daß es nicht keimen ſoll, ſo wenig kann er dein inneres Wachſen hemmen, wenn du ſtill in dir ſelbſt gedeihſt. Ich war auch in deiner Lage. Im Geheimen mußte ich, auf dem Dachboden, deutſch lernen und die Wiſſenſchaften pflegen, um der Tyrannei meines über­frommen Vaters zu entgehen. Sei du froh, wenn er dir nur eine Viertelſtunde geſtattet öffentlich zu ſtudiren. Späterhin,