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Der Weg meines Lebens : Erinnerungen eines ehemaligen Chassiden / von Josef R. Ehrlich ; mit einem Vorworte von Josef Weilen
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wenn du viel gelernt haben wirſt, dann, Ehrlich, werde ich ſchon für deine Selbſtändigkeit ſorgen. Vorläufig ſei duldſam, geh hin, ich habe ihn beſänftigt und verſöhne dich mit ihm. Umgekehrt, mache es ſo, daß er von der Schule gut denke, damit er dich ungeſtört ſie beſuchen laſſe. Alſo, befolge meinen Rath. Darauf küßte ich ihm dankbar die Hand, er ging fort und ich des Weges zu Samuel. Samuel aber ſtellte ſich unver­ſöhnlich, mit ihm die redſelige Freide. Doch als er ſah, daß ich mich mit meinen Bitten und Schwören mehr an ſie als an ihn gewendet hatte, da gerieth er in Zorn und fragte mich ob denn er oder ſie mich einſt vom Tode errettet. Und als ich mich wieder ihm zugekehrt hatte, wurde er mild und verzieh mir ſofort.

Ein Jahr verging und ich kam in die zweite Klaſſe. Hier vertauſchte ich meine, neue, junge Welt der Ferne mit der Natur ſelbſt und gewann ſie ſo lieb, daß ich mich an ihren Phänomenen wie an den Regungen eines lebenden Allweſens ergötze. Neue Ahnungen von Gott ſtiegen in meinem Geiſte auf und es empörte mich in der Seele, wenn die Chaſſidim ihn als ein verzehrendes Feuer bezeichneten, deſſen Hitze fo ſtark fein ſollte, daß die Engel dreißig Mil­lionen Meilen ſich von ihm entfernt halten müſſen. Es wider­ten mich alsdann ihre Gebete ſelbſt an und da ich ſah, daß man in der Einſamkeit andächtiger fühlt, ſo betrachtete ich das Beten in der Verſammlung als etwas Schamloſes, Herausforderndes und mied das Bethaus ganz. Nur um den Samuel nicht zu reizen, warf ich mich ein Viertelſtündchen hin und her, ging aber dann in ſo gedrückter Stimmung fort, daß ich meinen Groll bald an dieſen bald an jenen Chaſſidim ausließ und das geſchah ſo lange, bis ich den Groll der meiſten Chaſſidim auf mich geladen hatte.

Sechzehn Jahre war ich alt geworden, als ich bereits in die