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Der Weg meines Lebens : Erinnerungen eines ehemaligen Chassiden / von Josef R. Ehrlich ; mit einem Vorworte von Josef Weilen
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blaſſe Halbmond am Himmel roth und röther geworden, eilten aus den mißgeſtalteten Häuſern von Nah und Fern weiße Geſtalten in fliegenden Kittelhemden, ſchauererregend zur Synagoge. Die Weiber jammerten gegenſeitig{ih an, Be­kannte und Verwandte verabſchiedeten ſich mit weinend⸗ſingen­dem Tone und drückten einander ſchluchzend die Hände. Einzelne liefen mit Geſchrei dahin, Keiner wagte es ruhig fein Ant­litz zu zeigen. Alſo ging ich mit Samuel umſchwirrt von den grauſen Geſtalten und unheimlich lagerte ſich die Dämmerung über die Häuſer und die Menſchen ringsumher. Da kehrte ich mein Haupt zum reinen, funkelnden Himmel empor und rief in meinem Gemüthe:Ziehet, ziehet mich wohlbekannte Sterne, ſelbſtändige Lichter, ziehet mich heraus, hinan entwindet mich doch dieſem ſchrecklichen Gewühle! Du lieber MondVorwärts, Joſchul rief mir Samuel zu und ſchon waren wir zwiſchen den Flammen der wächſernen Kerzen, umtobt von dem entſetzlichen Geſchrei der himmel­ſtürmenden Chaſſidim.

Bis Mitternacht wurde gebetet. Ich litt unſägliche Pein und zählte die Stunden, um meine Freiheit wieder zu ge­winnen.

Am andern Morgen, als ich die drückende Schwere des langen Tages auf's Tiefſte vorempfunden hatte; da begann ſich es in mir zu regen, Widerwillen und Trotz ſpornten mich der freiern Geſinnung Ausdruck zu geben, und ſo übte ich denn den ganzen Vormittag über nichts als Entgegengeſetztes: Alle warfen und ſchaukelten ſich, ich ſtand wie eine Bildſäule feſt und unbeweglich; alle rangen die Hände, Ach und Wehe rufend, ich hielt meine Hand flach im Buſen und ſchaute lächelnd über die Köpfe dahin. Samuel ſtieß mich zuweilen ich bewegte mich zwar, doch blieb ich bald wieder ſtehen und übte nichts als Verkehrtheit. Schon deuteten Einige mit den