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Der Weg meines Lebens : Erinnerungen eines ehemaligen Chassiden / von Josef R. Ehrlich ; mit einem Vorworte von Josef Weilen
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ging derVerhör an mir vorüber, denn man rief mich nicht. Doch als Ben Zion Barat mit ſeinem Büchelchen erſchienen war, da gelang es mir, ihm vor allem andern Jüng­Ehre und Freude zu machen. Nachdem die Dämmerung die Räume des Saales umdunkelt, und Jeder auf ſein Los ge­ſpannt, nach Ben Zion Barat hingeſehen hatte, da vernahm ich zu meiner nicht geringen Ueberraſchung den Namen Ehrlich unter denVorzügern. Alles ſtimmte dann folgendes Lied an und es klang mir als ob es für mich gedichtet wäre:

Mitleid, Heil dir, du Geweihte,

Weichen Herzens, milder Hand,

Weil'ſt du an des Dulders Seite

Durch der Prüfung rauhes Land.

Als die Jünglinge ſahen, daß mich Ben Zion Barat bevorzugt hatte, wurden ſie mir gram und ſpielten mit miß­günſtigem Herzen auf meinunverdientes Glück an. Ich be­gann mich darum von ihnen abzuſondern, vereinzelte mich

und lebte um ſo beſſer nach innen hinein. Nun ereignete ſich um dieſe Zeit wieder Etwas, wodurch ich zum erſten Male ſelbſt bei den beſſer geſitteten Menſchen das Anſehen, eines Verrückten bekam und als ſolcher auch ſpäterhin zu meinem größten Schaden allgemein verſchrieen wurde.

Es war nämlich jo: An einem ſchönen Nachmittage luſt­wandelte ich allein über die Felder, ohne Buch, ohne Stock, ohne häusliche Gedanken, nur ſo ganz leicht mitgelbßten Gliedern dahin­ſchreitend. Ich ſuchte mir am liebſten die ſchmalen Stege zwiſchen dem hohen Getraide auf, durchwanderte ſie, denn ich ſah mich gern von der Natur enger umſchloſſen. Dabei blickte ich rechts und links durch die geheimnißvollen Räume der Halme, lauſchte, als gäbe es etwas zu hören und gerne verirrte ſich mein Auge in den offenen Kelch einer Kornblume, die dort gebückt und angelehnt ſtand. Es gefiel mir auch mich