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Der Weg meines Lebens : Erinnerungen eines ehemaligen Chassiden / von Josef R. Ehrlich ; mit einem Vorworte von Josef Weilen
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ein, und ſo verzogen ſich die Wolken wieder, Stürme trockneten den Boden ſchnell und brachten andere Lüfte und die Menſchen beruhigten ſich von Neuem.

Hingegen blieben jene Wolken, die den Geiſt meiner Mutter umnachtet, undurchdringbar; aus Nah und Fern flogen Pfeile des Vorwurfs an mich heran und verwundeten ſehr mein Herz. Um dieſe Zeit, wo der Unbeſtand alles menſch­lichen Glückes in ſo furchtbaren Erſcheinungen an mein Gemüth herangetreten war, bemächtigte ſich meiner eine Stimmung, die an Peinlichkeit ihresgleichen nicht hat. Wie ein durſtiger Igel ſaugte ein ſchrecklicher Zweifelswurm an meinen beſſern Gefühlen: Ich glaubte nämlich, daß alles was mein Auge ſieht, mein Ohr hört, nichts ſei und daß ich mich täuſche, wenn ich wähne etwas Wirkliches wahrzunehmen. Bald er­ſtreckte ſich auch dieſer vernichtende Zweifel auf meinen eigenen Geiſt und richtete in den Gedanken eine Verheernng an, der gegenüber jede äußere Verwüſtung nur ein Kinderſpiel iſt. Stumm ging ich einher, vertraute mich Keinem an, denn Keiner ſtellte mir etwas Wahrhaftes vor. Hätte ich damals die Ent­deckung gemacht, daß es der Schmerz meiner Natur war, die unbewußt nach der Wahrheit ſchmachtete, ich wäre mit dieſer negativen Selbſterkenntniß zufrieden geweſen, ſo aber unter­wühlte der Schmerz, daß alles nichts ſei, mein ganzes Innere und mir drohte das Unglück einer ewigen Verſenkung in das Schattenreich plagender Wahngedanken. Aber es war doch gut. Was frommt es zum Beiſpiel dem Landmann, wenn ſein ur­bar gemachtes Feld, Gras und Kraut(wenn auch kein Unkraut) im Ueberfluß hervorbringt? Er kommt erſt recht mit dem Pflugeiſen heran, zerſtört die herrliche Weide, es verſchwindet alles Grüne und man ſieht nur einen ſchwarzen Ackergrund, von tiefen Furchen durchſchnitten. Alſo unterwühlte auch Gott mit ſeinem ſcharfen Pflug den urbar gemachten Boden meines