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Der Weg meines Lebens : Erinnerungen eines ehemaligen Chassiden / von Josef R. Ehrlich ; mit einem Vorworte von Josef Weilen
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Seite
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lächelt hatten, ſchlug Samuel einen ernſtern Ton an und meinte, man ſolle für meine Zukunft ſorgen. Er hatte aber gut reden, denn man hielt ihm entgegen, daß ich dasIr­diſche verachte, ein ſchönes Kleid fürTand anſehe und gute Speiſen alsUeppigkeit, die die Wolluſt vermehren erachte u. dgl. m. Samuel aber, dem die moraliſche Seite der Hermelins wohl bekannt geweſen, verwunderte ſich, wie ich bei meinen Anſchauungen dennoch in gutem Einvernehmen mit jenen leben konnte und zeigte mir deſto wärmere Theil­nahme. Da ich weit und breit als ein Schönſchreiber ſowohl der deutſchen als jüdiſchen Kurrent-Schrift gegolten hatte, ſo beſprach ſich Balter mit ſeiner Frau, ob er nicht mich als Lehrer der Tochter ins Haus nehmen könne. Sie that manchen Einwand; als er aber entgegnete, ich wäre auch für andere Dienſte verwendbar, könnte manche Rechnung, oder manchen Handels⸗-Brief ſchreiben und dann und wann auch einiges Geld eincaſſtren, da willigte fie ein und fo nahm ich denn meinen Strohſack aus dem Hauſe des Hermelin und trug ihn in jenes des Balter. Tage, Wochen und Monate vergingen, Henriette konnte ſchon einen deutſchen Brief mit jüdiſchen Lettern geläufig ſchreiben; meine Pflicht war gethan und nun dachte Balter mich auf das Vortheilhafteſte zu belohnen. Er hatte ſich während der Zeit genauer um meine Wünſche und Beſtre­bungen erkundigt, überzeugte ſich auch, daß ich an allem den Maß­ſtab des Großen anlege und ſchloß daraus, wie förderlich es für mich ſein würde, wenn man mir Mittel an die Hand gäbe, in eine deutſche Großſtadt auszuwandern. Dieſes zu voll­bringen nahm er ſich auch vor und da Entſchluß und Aus­führung bei ihm raſch auf einander zu folgen pflegten, ſo ver­kündete er mir eines Tages unverhoffter Weiſe, daß mir die Bahn zur Auswanderung in diegroße Welt bereits erſchloſſen