Kissingen tut allerlei Gutes,
Man wagt ins Theater sich guten Mutes (Ich selbst bin schon 3mal solch Held gewesen)
- Und selbst «Irrungen, Wirrungen » werden gelesen.
Die knappen Notizen des Tagebuchs und die heiteren Gedicht-Reflexe geben nur geringen Aufschluß über die Wirkungsgeschichte von «Irrungen, Wirrungen ». Tatsächlich begann diese mit einem Eklat, dessen Folgen u. a. darin bestanden, daß ein Vorabdruck von « Stine » in der « Vossin » unterblieb. Fontanes eigene Unsicherheit darüber, ob Stephany «Irrungen, Wirrungen » in das Feuilleton übernehmen werde, Stephanys erste Kritik an dem Roman sind Symptome einer zunehmend gespannten Atmosphäre, die für die Reaktion der Kritik und Fontanes Gegenreaktion charakteristisch ist. Der Vorabdruck von «Irrungen, Wirrungen» war noch im Gange - so berichtet Conrad Wan- drey in seiner Fontane-Monographie (München 1919) -, als ein Mitinhaber der Vossischen Zeitung [vermutlich Müller] den Chefredakteur im Ton höchster Entrüstung fragte: « Wird denn die gräßliche Hurengeschichte nicht bald aufhören?» Fontane muß dieser Vorfall zu Ohren gekommen sein; am 8. September 1887, vierzehn Tage nach Beendigung des Vorabdrucks, macht er sich Luft in einem Brief an seinen Sohn Theodor in Münster. Hier, in der privaten Familiensphäre, brauchte er sich kein Blatt vor den Mund zu nehmen. Stellenweise wirkt der Brief wie eine Erklärung zu dem Brief an Stephany, wie der Klartext einer Geheimchiffre: «Sei schönstens bedankt für Deinen lieben Brief, dem ich in vielen Stücken zustimmen kann, freilich nicht in allen. In der Parallele, die Du zwischen ,Irrungen,Wirrungen’ und ,Cecile’ ziehst, stehe ich ganz auf Deiner Seite. .. . Auch darin hast du recht, daß nicht alle Welt, wenigstens nicht nach außen hin, ebenso nachsichtig über Lene denken wird wie ich, aber so gern ich dies zugebe, so gewiß ist es mir auch, daß in diesem offnen Bekennen einer bestimmten Stellung zu diesen Fragen ein Stückchen Wert und ein Stückchen Bedeutung des Buches liegt. Wir stek- ken ja bis über die Ohren in allerhand konventioneller Lüge und sollten uns schämen über die Heuchelei, die wir treiben, über das falsche Spiel, das wir spielen. Gibt es denn, außer ein paar Nachmittagspredigern, in deren Seelen ich auch nicht hineinkucken mag, gibt es denn außer ein paar solchen fragwürdigen Ausnahmen noch irgendeinen gebildeten und herzensanständigen Menschen, der sich über eine Schneidermamsell mit einem freien Liebesverhältnis wirklich moralisch entrüstet? Ich kenne keinen und setze hinzu, Gott sei Dank, daß ich keinen kenne. Jedenfalls würde ich ihm aus dem Wege gehn und mich vor ihm als vor einem gefährlichen Menschen hüten. ,Du sollst nicht ehebrechen’, das ist nun bald 4 Jahrtausende alt und wird auch wohl noch älter werden und in Kraft und Ansehn bleiben. Es ist ein Pakt, den ich schließe und den ich schon um deshalb, aber auch noch aus andern Gründen ehrlich halten muß; tu ich’s nicht, so tu ich ein Unrecht, wenn nicht ein ,Ab-
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