kommen’ die Sache anderweitig regelt. Der freie Mensch aber, der sich nach dieser Seite hin zu nichts verpflichtet hat, kann tun, was er will, und muß nur die sogenannten ,natürlichen Konsequenzen, die mitunter sehr hart sind, entschlossen und tapfer auf sich nehmen. [Anspielung auf Bothos Gespräch mit Rexin.] Aber diese natürlichen Konsequenzen’, welcher Art sie sein mögen, haben mit der Moralfrage gar nichts zu schaffen. Im wesentlichen denkt und fühlt alle Welt so, und es wird nicht mehr lange dauern, daß diese Anschauung auch gilt und ein ehrlicheres Urteil herstellt. Wie haben sich die Dinge seit den .Einmauerungen’ und ,In-den-Sack-Stecken’ geändert, und sie werden sich weiter ändern. Empörend ist die Haltung einiger Zeitungen, deren illegitimer Kinderbestand weit über ein Dutzend hinausgeht (der Chefredakteur [Anspielung auf Dr. Leopold Kayßler von der « Post»] immer mit dem Löwenanteil) und die sich nun darin gefallen, mir .gute Sitte’ beizubringen. Arme Schächer! Aber es finden sich immer Geheimräte, sogar unsubalterne [Anspielung auf Carl Robert Lessing?], die solcher Heuchelei zustimmen.» Fontane konnte also durchaus nicht der ungeteilten Zustimmung des «Hauses Lessing» sicher sein (nämlich der Vossischen Zeitung, deren Hauptaktionär Lessing war). Dies traf ihn um so mehr, als sein Standpunkt in der Frage Ehe und freie Liebe dem Kreis der «Vossin» bekannt sein mußte und er mindestens hoffen durfte, nicht böswillig mißverstanden zu werden. Der Theaterkritiker Fontane hatte am 13. Januar desselben Jahres die Aufführung der Ibsenschen « Gespenster » besprochen und gegen die Hauptthesen des Stückes heftig polemisiert; seine Engagiertheit in dieser Sache hängt natürlich damit zusammen, daß er zu dieser Zeit sich selbst in «Irrungen, Wirrungen» mit dieser Problematik beschäftigte. Als Quintessenz seiner Kritik an Ibsen ergab sich die Verteidigung der Ehe als gewordener Institution, als «Pakt und Übereinkommen » mit deutlicher Spitze gegen die Verbindung aus Neigung. Auf der anderen Seite betrachtete Fontane eine Verbindung von Menschen, die sich nach der Seite des Paktes hin «zu nichts verpflichtet» haben, als durchaus gleichberechtigt - bei Beachtung der « natürlichen Konsequenzen », die sich aus solchem Verhältnis ergeben. In diesem Zusammenhang ist es bemerkenswert, daß Fontanes Wort vom Pakt im Brief an den Sohn ein leicht abgewandeltes Selbstzitat aus « Stine » ist, die zu diesem Zeitpunkt « bereits fertig im Kasten » liegt. Hier sagt Stine, vom jungen Grafen Haldern über das «Verhältnis» ihrer Schwester Pauline befragt: «Aber dieselben Leute, die so verworren scheinen, sind auch wieder sehr hell und halten auf Pflicht, wo sie sich aus freien Stücken verpflichtet haben. Und das gleicht manches wieder aus. Neben ihrem bloßen Gerede, das heute so ist und morgen so, gibt es auch was, das ihnen feststeht, und das ist das Wort und die Zusage. Mit dem .sich gut halten’, solange man frei ist, kann man’s am Ende halten, wie man will; aber mit dem Kontrakte muß man’s halten, wie man soll. Was ich übernehme, das gilt, und ehrlich sein ist die Hauptsache geworden. Und so kann es einer armen Frau passieren, in einem Verhältnis, das nicht löblich
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