klug aus ihr geworden und weiß nicht, ob sie unglücklich oder verrückt oder eine Schwindlerin ist. Sie ist 46 und muß mal sehr hübsch gewesen sein.» Der Brief an Emilie ist noch in anderer Hinsicht interessant, weil Fontane in ihm Honorarberechnungen anstellt und noch einmal auf das Pro und Kontra innerhalb der Redaktionskreise der Vossischen Zeitung eingeht: «Der Brief an die Zeitungsexpedition betraf - auf Anforderung derselben - die Honorarberechnungen für .Irrungen, Wirrungen’. Es macht 3050 Mark. Da solche Berechnungen mit Silbenzählung immer um Kleinigkeiten variieren können, so habe ich selbstverständlich - auch schon um der Abrundung willen - 3000 Mark gefordert. Ich bin nun neugierig, wie sich die .Prinzipalschaft’ benehmen und ob sich Lessing einen kleinen Liebesbrief abringen oder die Sache durch Zahlung als erledigt ansehen wird. Ein Glück für mich, daß die 3 Zeitungsnummern [die Redakteure] alle lebhaft auf meiner Seite stehn: Stephany, Schlenther, Pietsch.»
Tatsächlich war es besonders Paul Schlenther und dem Kreis der « Zwanglosen » (dem von Otto Brahm, Fritz Mauthner, Paul Schlenther, Emil Schiff und Fontanes Söhnen George und Theodor 1884 gegründeten literarischen Verein) zu verdanken, daß dem Roman - nach Erscheinen der Buchausgabe - eine bessere Kritik zuteil wurde, als Fontane erwartete und nach den ersten Reaktionen der Presse erwarten konnte. Darüber berichtet der Dichter am 9. Mai 1888 seinem Sohn Theodor: «Er [Brahm], Schlenther und ein junger Max v. Waldberg (früher auch ein Zwangloser), dazu Schiff und Mauthner, haben sämtlich sehr ausführlich und sehr anerkennend über .Irrungen, Wirrungen’ geschrieben, so daß ich ohne Übertreibung sagen kann: ich verdanke meine verbesserte Stellung oder doch mein momentanes Ansehn im deutschen Dichterwald zu größrem Teil den .Zwanglosen’. Die Jugend hat mich auf ihren Schild erhoben, ein Ereignis, das zu erleben ich nicht mehr erwartet hatte.»
Während die Buchausgabe erschien, war Fontane selbst bemüht, Freunde und wohlwollende Bekannte für die Rezension des Werkes zu gewinnen. So schrieb er am 10. Februar 1888 an Ludwig Pietsch, den Gesellschaftsberichterstatter der «Vossin»: «Das jüngste Kind meiner Laune wird Ihnen wohl schon 2 Stunden vor Eintreffen dieser Zeilen zugegangen sein. Wenn Ihre Güte Veranlassung nehmen wollte, der Welt zu versichern, daß der Roman selbst nicht zu den großen .Irrungen’ zählt und jedenfalls nicht die Absicht hatte, die .Wirrungen’ auf dem Gebiet der Sittlichkeit zu vergrößern (eher das Gegenteil), so würde ich Ihnen zu erneutem Danke verpflichtet sein. ... Wenn Sie ein paar freundliche Worte sagen, so, wenn’s sein kann, in der Schlesischen, woran mir wegen meiner schlesischen Beziehungen sehr liegt. In der Vossin wird wohl Schlenther schreiben, vorausgesetzt, daß Stephany nicht andere Beschlüsse faßt.» Die ausführliche Rezension, die Pietsch am 5 - Mai 1888 in der « Schlesischen Zeitung» veröffentlichte, war insgesamt sehr anerkennend; nur gerade in jenem Punkte der «Irrungen» nahm Pietsch mehr