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Sonderheft 2, Zur Entstehungs und Wirkungsgeschichte Fontanescher Romane
Seite
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Dr. Theodor Fontane in herzlicher Verehrung der Verfasser» (das Exemplar befindet sich im Fontane-Archiv). Am 28. Mai schrieb Spielhagen: «Lassen Sie sich ,Zum Zeitvertreib 1 nicht vorlesen. Der Roman in seiner gewollten satirischen Herbheit und rücksichtslosen Herauskehrung aller, auch der grau­samsten Konsequenzen ist keine Lektüre, wenn man den Sprudel im Leibe hat und mit aller Welt gut Freund sein möchte. »

Fontane kam erst Wochen später auf diesen Brief und auf den Roman zu­rück, aber sein Brief vom 25. August 1896 aus Waren bildet den glänzenden Höhepunkt in der Korrespondenz mit Spielhagen und ist eine der gewich­tigsten politischen und literaturkritischen Äußerungen des alten Fontane. Merkwürdigerweise ist - soweit wir sehen - dieser Brief noch nicht beachtet worden; er wurde zuerst in Stefan Großmanns «Tagebuch» (1920) publi­ziert und ist neuerdings wieder zugänglich in « Fontanes Briefen in zwei Bän­den », ausgewählt und erläutert von Gotthard Erler, Berlin und Weimar 1968, Band 2, S. 407 f.:

«Ihr Roman (,Zum Zeitvertreib) begleitete mich schon im Mai nach Karls­bad, wo ich ihn rasch hintereinanderweg mit dem größten Interesse gelesen habe. Meine Frage, ,ob der Titel glücklich gewählt sei, ließ ich gleich nach der Lektüre fallen, weil ich empfand, daß das, was dem Leser seinen Stand­punkt anweisen soll, nicht besser ausgedrückt werden kann. Ich füge gleich noch hinzu, daß ich die frappante Lebenswahrheit in der Schilderung unserer Berliner Gesellschaft überall stark und zustimmend empfunden habe.

Wenn ich Ihnen dies damals, wo Sie, wenn ich nicht irre, beim Abschluß einer Arbeit oder doch beim Abschluß von Verhandlungen über eine neue Arbeit waren, nicht gleich schrieb, so geschah es, weil mir der Roman doch auch kleine Bedenken hinterlassen hatte. Diese Bedenken gipfeln in der persönlichen oder sag ich lieber richterlichen Stellung, die Sie zu der von Ihnen geschilderten Gesellschaft einnehmen. Ich finde das Maß von Ver­urteilung, soweit von einer solchen überhaupt gesprochen werden kann, nicht scharf genug. Schließlich gestaltet sich alles doch so, daß man mit dieser Gesellschaft, trotz all ihrer Anfechtbarkeit, doch immer noch mehr sympa­thisiert als wie mit dem armen Professor, der ein Schwachmatikus und dabei sehr eitel ist und allen Anspruch darauf hat, ungefähr so behandelt zu wer­den (allenfalls mit Ausnahme des Totgeschossenwerdens), wie er behandelt wird. Warum erwehrt er sich dieser Leute nicht? Noblesse oblige, aber Wis­sen und Bildung obligieren auch und ein gutes Herz und eine gute Frau noch mehr. Der Professor tut einem leid, aber darüber hinaus kommt man nicht; tu las voulu. So wird >das dramatische Interesse der Hergänge geschädigt. Mein zweites Bedenken, allerdings in einem innigsten Zusammenhänge mit dem schon Gesagten, richtet sich gegen das, was ich die politische Seite des Buches nennen möchte. Der Roman unterstützt, gewiß sehr ungewollt, die alte Anschauung, daß es drei Sorten Menschen gibt: Schwarze, Weiße und - Prinzen. Der Adel spielt hier die Prinzenrolle und zeigt sich uns nicht bloß