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Sonderheft 2, Zur Entstehungs und Wirkungsgeschichte Fontanescher Romane
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Freundschaft darüber ausgesprochen, aber es ist mir dennoch nicht klarge­worden, ob das Motiv ein materielles oder (ohne meinen Willen) verletzte Eitelkeit ist. In ein eigentlich persönliches Verhältnis bin ich übrigens nie zu ihm gekommen.» (Zitiert nach: Theodor Fontane, Briefe an Julius Roden­berg. Eine Dokumentation, hrsg. von Hans-Heinrich Reuter, Berlin und Weimar 1969, Anmerkung zu Brief Nr. 108.)

Wie dem immer sei, Fontane suchte «mit andern Blättern anzubändeln» und knüpfte dabei alte Beziehungen zu « Über Land und Meer » wieder an; in der Romanbibliothek dieser Zeitschrift war 1884 «Graf Petöfy» zuerst erschienen. Schon im Rückblick auf das Jahr 1896 konstatiert der Dichter im Tagebuch: «... die Redaktion will von Oktober 97 an meinen neuesten Roman ,Der Stechlin* bringen, unter beinah glänzenden Bedingungen. Hono­rar mehr als doppelt so hoch wie das der .Rundschau 1 .»

Wohl im Mai oder Juni 1897 teilte Fontane der Redaktion Einzelheiten über seinen Roman mit. Der Brief ist nur als Entwurf bekannt; er hat sich auf den Rückseiten der beiden Gedichtfragmente «Berliner Madam» und « Papst Leo und die vatikanischen Gemächer » erhalten. Fontane schrieb:

« Die Honorarfrage kann kaum zu Meinungsverschiedenheiten zwischen uns führen, und der Stoff, soweit von einem soldien die Rede sein kann - denn es ist eigentlich bloß eine Idee, die sich einkleidet -, dieser Stoff wird sehr wahrscheinlich mit einer Art Sicherheit Ihre Zustimmung erfahren. Aber die Geschichte, das, was erzählt wird. Die Mache! Zum Schluß stirbt ein Alter, und zwei Junge heiraten sich; - das ist so ziemlich alles, was auf 500 Seiten geschieht. Von Verwicklungen und Lösungen, von Herzenskonflikten oder Konflikten überhaupt, von Spannungen und Überraschungen findet sich nichts. - Einerseits auf einem altmodischen märkischen Gut, andrerseits in einem neumodischen gräflichen Hause (Berlin) treffen sich verschiedene Per­sonen und sprechen da Gott und die Welt durch. Alles Plauderei, Dialog, in dem sich die Charaktere geben, und mit ihnen die Geschichte. Natürlich halte ich dies nicht nur für die richtige, sondern sogar für die gebotene Art, einen Zeitroman zu schreiben, bin mir aber gleichzeitig nur zu sehr bewußt, daß das große Publikum sehr anders darüber denkt und Redaktionen - durch das Publikum gezwungen - auch. - Und so sehe ich denn Ihrer Ent­scheidung nicht so hoffnungsvoll entgegen, wie ich wohl möchte. Vielleicht daß der beigelegte Briefbogen mit Inhaltsangabe meine Chancen wieder um einiges steigert. Ein ,Ja oder ,Nein aber in die Zukunft legen ist gerade das, was man bei Verhandlungen wie diese so gern vermeiden möchte.»

Der beigefügte Bogen enthielt folgenden Text: «Titel: ,Der Stechlin*. In­halt : In einem Waldwinkel der Grafschaft Ruppin liegt ein See, ,Der Stech­lin. Dieser See, klein und unbedeutend, hat die Besonderheit, mit der wei­ten Welt draußen in einer halb rätselhaften Verbindung zu stehen, und wenn in der Welt draußen ,was los ist*, wenn auf Island oder auf Java ein Berg Feuer speit und die Erde bebt, so macht der .Stechlin*, klein und unbedeu-

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