Heft 
(1891) 67
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Deutsche Rundschau.

an den See herantrat, herrliche Platanen, deren vom Herbstwind abgeschüttelte Blätter zahlreich auf der stillen Seefläche trieben. Inzwischen war auch der zweite Wagen herangekommen, und Holk, der sich, weil auf Landfahrten Alles erlaubt sei, wohlweislich den Platz neben dem Kutschersitz gewählt hatte, sprang jetzt herab, um an den Wagenschlag der Prinzessin zu treten und ihr auszusprechen, wie ländlich idyllisch dieser Marktplatz und wie schön der Anblick des Schlosses sei, Worte, die der Prinzessin sichtlich wohlthaten und einer gnädigen Antwort gewiß gewesen wären, wenn nicht im selben Augenblicke, von einem dem Platz zunächstgelegenen Hause her, ein andrer Herr ebenfalls an den Wagenschlag der Prinzessin herangetreten wäre. Dieser Andre war Pastor Schleppegrell von Hilleröd, ein stattlicher Fünfziger, der seine Stattlichkeit durch seinen langen Predigerrock noch um ein Erhebliches gesteigert sah. Er küßte der Prinzessin die Hand, aber mit mehr Ritterlichkeit als Devotion, und betonte dann seine Freude, seine Gönnerin wiederzusehen.

Sie wissen, daß es ohne Sie nicht geht," sagte die Prinzessin,und ich habe hier auf Ihrem immer noch entsetzlich zugigen Marktplatz (denn es weht wieder von allen vier Seiten her) bloß halten lassen, um mich Ihres Besuches, und zwar für heut' Abend noch, zu versichern . . . Aber ich vergesse die Herren mit einander bekannt zu machen, Pastor Schleppegrell, Graf Holk . . ."

Beide verneigten sich.

Und seien Sie, lieber Pastor, bei Geduld und guter Laune. Graf Holk ist übrigens Genealog, also Bruchstück eines Historikers, und wird Ihnen als solcher, und als ein vorzüglicher Frager, der er ist, Gelegenheit zu gelehrter Unter­haltung bieten. Denn man unterhält sich am Besten, wenn man gefragt wird und antworten kann. Daß ich selber neugierig bin, wissen Sie; für etwas Bess'res mag ich meine Fragelust nicht ausgeben. Und bringen Sie die liebe Frau mit. In Hilleröd und Fredericksborg schmeckt mir der Thee nur, wenn ihn mir meine liebe Freundin aus dem Pastorhause präsentirt. Ja, Ebba, das ist nun 'mal so, darin mußt Du Dich finden und darfst nicht eifersüchtig sein. Aber ich ertappe mich wieder auf einer zweiten Unterlassungssünde: Pastor Schleppegrell, Fräulein Ebba von Rosenberg."

Der Pastor begrüßte das Fräulein und versprach nicht nur zu kommen, sondern auch seine Frau mitzubringen, und gleich danach setzte sich die Fahrt vom Marktplatz aus nach dem Schlosse hin fort, nachdem Holk, der Aufforderung der Prinzessin gehorchend, für die verbleibende kurze Strecke den Rücksitz des Wagens eingenommen hatte. Hier saß er neben Ebba, der Schimmelmann gegen­über, und fühlte sich angeregt genug, um noch den Versuch einer Konversation zu machen.

Pastor Schleppegrell hat etwas Jmponirendes in seiner Erscheinung und dabei doch eine Gemüthlichkeit, die das Jmponirende wieder dämpft. Ich habe Wenig Menschen so ruhig und so sicher mit einer Prinzessin sprechen sehen. Ist er ein Demokrat? Oder ein Dissenter-General?"

Nein," lachte die Prinzessin.Schleppegrell ist kein Dissenter-General, aber er ist freilich der Bruder eines wirklichen Generals, der Bruder von