Heft 
(1891) 67
Seite
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Deutsche Rundschau.

etwa in dem Sinn eines Widerstandes oder Protestes gegen das, was Du vor hast, davor sei Gott, nur zur Regelung dessen, was geregelt werden muß und wo obenan steht, ob die Kinder Deine sein sollen oder meine. Du wirst (und sie lächelte bitter) so weit ich Dich kenne, keine Schwierigkeiten nach dieser Seite hin machen; es gab Wohl Zeiten, wo Dir die Kinder Etwas bedeuteten, aber das liegt zurück. Die Zeiten ändern sich, und was Dir eine Freude war, ist Dir eine Last geworden. Ich will Deine künftige Hausführung nach Möglichkeit aller Mühewaltungen überheben, auch der Mühewaltung der Stiefmutterschaft. Und nun lebe Wohl und werde nicht zu hart gestraft für diese Stunde."

Dabei hatte sie sich von ihrem Platz erhoben und ging, sie wollte ihm nicht ausweichen, scharf an ihm vorüber auf die Thür zu. Von der Schwäche, die sie bei ihrem Eintreten gezeigt hatte, war in ihrer ganzen Haltung nichts mehr; die Empörung, die ihr Herz füllte, gab ihr Kraft zu Allem.

Auch Holk erhob sich. Eine Welt widerstreitender Empfindungen regte sich in seiner Seele, was aber nach Allem, was er eben wieder gehört hatte, doch vorwog, war ein Gefühl bitterer Verdrossenheit. Eine ganze Weile schritt er aus und ab, dann erst trat er an die Balkonthür heran und sah wieder auf den Parkgang hinaus, der, mit Blättern und Tannäpfeln überstreut, in leiser Schrägung bergab und zuletzt links einbiegend nach Holkebye führte. Der Himmel hatte sich wieder bezogen, und eh' eine Minute um war, begann ein heftiges Schneetreiben, ein Tanzen und Wirbeln, bis der Windzug plötzlich nach­ließ und die Flocken schwer und dicht herniederfielen.

Holk konnte nur wenig Schritte weit sehen, aber so dicht die Flocken sielen, sie ließen ihn doch zwei Frauengestalten erkennen, die jetzt, von der rechten Seite des Schlosses her, in den Parkweg einbogen und auf Holkebye zu hinunter­schritten.

Es waren die Gräfin und die Dobschütz.

Niemand begleitete sie.

Dreißigstes Capitel.

Holk, als er Christine so den Parkweg hinabschreiten und gleich danach in dem Flockentanze verschwinden sah, war erschüttert, aber doch nur in seinem Herzen, nicht in seinen Entschlüssen, nicht in dem, was er vorhatte. Das Glück vergangener Jahre lag hinter ihm, das war gewiß, und er setzte hinzu:durch meine Schuld vielleicht, aber sicher auch durch ihre. Sie hat es so gewollt, sie hat mich gereizt und gepeinigt, erst durch Ueberheblichkeit und dann durch Eifer­sucht, und zuletzt hat sie mir zugerusengeh." Und hat auch nicht einlenken wollen; im Gegentheil, sie hat sich selber noch übertrumpft und statt der üblichen Hochfahrenheitsmiene zuletzt auch noch die Mitleidsmiene aufgesetzt, und dann ist sie gegangen ... Ich mag gegen sie gefehlt haben, in diesen letzten Wochen gewiß, aber der Anfang lag bei ihr, sie hat sich mir entfremdet, immer mehr und mehr, und das ist nun das Ende. Ja, das Ende vom Lied, aber nicht vom Leben. Nein, es soll umgekehrt der Anfang von etwas Anderem, etwas Besserem