Heft 
(1891) 67
Seite
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Unwiederbringlich.

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Zweiundzwanzigstes Capitel.

Kurz vor zwölf war man im Schlosse zurück, gerade noch früh genug, um rechtzeitig bei der Prinzessin erscheinen zu können. Pentz und die Schimmel­mann, die den Dienst hatten, empfingen die Geladenen, und nachdem die bald danach eintretende Prinzessin an jeden Einzelnen ein Wort der Begrüßung ge­richtet hatte, verließ man die Wohn- und Empfangszimmer, um sich über einen mit Karyatiden reich geschmückten und augenscheinlich einer späteren Zeit unge­hörigen Korridor hin in die große Herluf Trolle-Halle zu begeben, dieselbe Halle, darin man, am Abend vorher, bei Kaminfeuer und Kicnsackeln erst die großen Bilder so gut es ging, betrachtet und dann dem erklärenden Schleppegrell'schen Vortrage zugehört hatte. Ja, die Halle war dieselbe; trotzdem zeigte sich seit gestern in so weit eine Veränderung, als jetzt Helles Tageslicht einfiel (die Mit­tagsstunde hatte wieder Sonnenschein gebracht) und Allem etwas Heitres lieh, ein Eindruck, der durch eine mit Blumen und altnordischen Trinkgefäßen beinah phantastisch geschmückte Prunktafel noch gesteigert wurde. Schmuck überall, ge­schmückt auch die Wände. Da wo sich die hohen Paneele mit den breiten Barock­rahmen der Wandbilder berührten, hingen Mistel- und Ebereschenbündel an -Guirlanden von Eichenlaub, während eine quer durch die Halle gezogene Wand von Cypressen und jungen Tannenbäumen, den dunklen Hinterraum von dem festlich hergerichteten Vorderraum abtrennte. Das Ganze, so viel war augen­scheinlich, sollte den Weihnachtscharakter tragen oder wie die Prinzessin sich aus­gedrückt hatte, wenigstens ein Vorspiel zum Julfeste sein. Orangen, in fast überreicher Zahl, waren überall in das Tannengezweige gehängt und kleine wächserne Christengel schwenkten ihre Fahne, während über das blitzende Weiße Tischtuch hin Stechpalmenzweige lagen mit rothen Beeren daran.

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Und nun forderte die Prinzessin die Geladenen durch eine gnädige Hand­bewegung auf, ihre Plätze zu nehmen. Minutenlang verblieben alle schweigend oder kamen über ein Flüstern nicht hinaus; als aber das erste Glas Cyper ge­leert war, war auch die fröhliche Laune wieder da, die diesen kleinen Kreis aus­zeichnete. Jeder, nach voraufgegangener Aufforderung der Prinzessin, ließ sich's zunächst angelegen sein, über seine Schicksale während der letzten Sturmnacht zu berichten, und Alle waren einig darin, daß das schöne Schloß, darin nur leider alle Fenster klapperten und in dem man in jedem Augenblicke fürchten müsse, von einem Nordwester gepackt und weggeweht zu werden, doch mehr ein Som­mer- als ein Winterschloß sei.Ja," sagte die Prinzessin,das ist leider so, davon kann ich mein liebes Fredericksborg nicht freisprechen; und was fast noch schlimmer ist, ich kann auch nichts dagegen thun und muß eben Alles lassen, wie's ist." Und nun erzählte sie mit der ihr eigenen Jovialität, wie sie, vor Jahr und Tag schon einen feierlichen Antrag aufschließende Thüren und Fenster" gestellt habe, was ihr aber von der betreffenden Verwaltungs- oder Baucommission rund abgeschlagen worden sei, weil die Bewohnbarkeit des Schlosses oder doch wenigstens die Brauchbarkeit der Kamine mit dem Fort­bestand undichter Fenster im nächsten Zusammenhänge stehe; schließende Fenster