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Deutsche Rundschau.
Sechsundzwanzigstes Capitel.
Eine Stunde nach Sonnenuntergang, als, um Pentz zu citiren, Holk und Ebba von ihrer „Eismeer-Expedition wieder in gesicherte Verhältnisse zurückgekehrt waren," trat man in einem geschützten und mit Decken Wohl versehenen Ollar - ä - baue, der Platz für Alle hatte, den Heimweg nach Fredericksborg an. Unterwegs wurde der „romantischen Escapade," trotz der Gegenwart der beiden Flüchtlinge, mit sichtlicher Vorliebe gedacht, und der Ton, in dem es geschah, ließ keinen Zweifel darüber, daß man Alles als etwas vergleichsweise Harmloses, als einen bloßen Uebermuthsstreich ansah, zu dem Ebba den armen Holk gedrängt habe, der nun, Wohl oder übel, habe nachgeben müssen. In diesem Sinne sprachen die Meisten, und nur die Prinzessin konnte sich, ganz gegen ihre Gewohnheit, nicht entschließen, in den heitren Ton mit einzustimmen, schwieg vielmehr, was, wenn auch sonst Niemandem, so doch den beiden Adjutanten aussiel, die sich bei diesem Schweigen einiger schon vorher von Seiten der Prinzessin gemachter, halb ängstlicher, halb mißbilligender Bemerkungen erinnern mochten. „Ebba liebt mit der Gefahr zu spielen," so hatte das Gespräch drinnen im Gasthause begonnen, „und sie darf es auch, weil sie ein Talent hat, ihren Kopf klug aus der Schlinge zu ziehen. Sie wird Wohl für alle Fälle einen Rettungsgürtel unter der Pelzjacke tragen. Aber nicht Jeder ist so klug und so vorsichtig und am wenigsten unser guter Holk." Dies Alles war am Kaffeetische so halb scherzhaft hingesagt worden, während Holk und Ebba noch draußen waren; aber hinter dem Scherze hatte sich offenbar ein Ernst versteckt.
Gegen sechs war man im Schlosse zurück, und als man sich gleich darauf von der Prinzessin, die noch immer die Abende allein zuzubringen liebte, getrennt hatte, nahm man auch untereinander Abschied, aber allerdings unter dem gleichzeitigen Zuruf: „Auf Wiedersehen heut' Abend."
„Und in welchem Thurm?" fragten die beiden Capitäne, die, Dienstes halber, Während der letzten Abende in dem kleinen Kreise gefehlt hatten.
„Nun, im Ebba-Thurm. Und nicht später als acht. Wer später kommt, zahlt Strafe."
„Welche?"
„Das findet sich."
Und danach ging Jeder aus sein Zimmer, nachdem noch Schleppegrell versprochen hatte, seinen Schwager, vr. Bie, mitzubringen.
Die beiden Schleppegrells und Bie, die den weitesten Weg hatten, waren natürlich die Pünktlichsten und Ersten und trafen, weil es inzwischen leise zu schneien begonnen hatte, von kleinen Flocken überstäubt auf dem untern Thurmflur ein, von dem aus eine Wendeltreppe zunächst in Ebba's und dann höher hinauf in Holk's Zimmer führte. Was dann im dritten und vierten Stocke noch folgte, darum hatte sich von allen Thurmbewohnern bis dahin Niemand gekümmert, nicht einmal Karin, die sich's, seitdem es kalt geworden, nur noch angelegen sein ließ, möglichst warm zu sitzen, erst um ihret- und zum zweiten um eines jungen Gärtnerburschen willen, mit dem sie, gleich während der ersten