Heft 
(1891) 67
Seite
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Unwiederbringlich.

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so phantastisch vor sich herfahren zu sehen, aber ihr Schönheitssinn, der ihr, trotz des ihr fehlenden Sinnes für Ordnung und Eleganz, in hohem Maße zu eigen war, würde doch noch erfreuter gewesen sein, wenn sie, gelegentlich rückwärts blickend, auch das Bild der ihr folgenden Drei hätte vor Augen haben können. Ebba, das Kleid geschürzt und in hohen Schlittschuhstiefeln, trug eine schottische Mütze, deren Bänder im Winde flatterten, und jetzt rechts dem einen und dann wieder links dem andern ihrer Partner die Hand reichend, glich ihr Eislauf einer Tanztour, darin sie sich, trotz weitausholender Seitenbewegungen, in wachsender Raschheit vorwärts bewegte. Der zurückzulegende Weg war nicht viel kürzer als eine Meile, aber ehe noch eine halbe Stunde um war, wurde man schon des hochgelegenen Gasthauses, daraus ein Heller Rauch ausstieg, ansichtig und dahinter der weiten Fläche des Arrestes, blinkend und blitzend so weit das Eis ging, und dann bläulich zitternd, wo der See, noch eisfrei, dem Meere sich zudehnte.

Schleppegrell, als er das Ziel vor Augen hatte, schwenkte triumphirend den Piekenstock und, das ohnehin schon rasche Tempo womöglich noch beschleunigend, war er in kürzester Frist bis an das Gasthaus heran, auf dessen vorgebauter Treppe Peutz und die Schimmelmann und mit ihnen auch die kleine Pastorsfrau schon standen und die Herankommenden unter Tücherwehen begrüßten. Nur Erichsen, eine Schachtel Cachou in Händen, war, wie sich später ergab, in der Gaststube zurückgeblieben. Holk, die eine Hand auf die Rückenlehne des Schlittens gelegt, lüpfte mit der andern den Hut, und im nächsten Augenblicke schon hielt er an einem kleinen Wassersteg, dessen Bretterlage bis zu dem Gasthause hinaus sich sortsetzte. Pentz, mittlerweile herangekommen, bot der Prinzessin seinen Arm, um sie, während Schleppegrell und die beiden Capitäne folgten, die Düne hinauf­zuführen, und nur Holk und Ebba standen noch an dem Wassersteg und sahen erst den Vorausgehenden nach und dann einander an. In Holk's Blick lag Etwas wie von Eifersucht, und als Ebba's Auge mit einem halb spöttischen:ein Jeder ist seines Glückes Schmied" daraus zu antworten schien, ergriff er ungestüm ihre Hand und wies nach Westen zu, weit hinaus, wo die Sonne sich neigte. Sie nickte zustimmend und beinah übermüthig, und nun flogen sie, wie wenn die Verwunderung der Zurückbleibenden ihnen nur noch ein Sporn mehr sei, der Stelle zu, wo sich der eisblinkende, mit seinen Usern immer mehr zurücktretende Wasserarm in der weiten Fläche des Arrestes verlor. Immer näher rückten sie der Gefahr, und jetzt schien es in der That, als ob Beide, quer über den nur noch wenig hundert Schritte breiten Eisgürtel hinweg, in den offnen See hinaus­wollten; ihre Blicke suchten einander und schienen zu fragen:soll es so sein?" Und die Antwort war zum mindesten keine Verneinung. Aber im selben Augen­blicke, wo sie die durch eine Reihe kleiner Kiefern als letzte Sicherheitsgrenze bezeichnte Linie passiren wollten, bog Holk mit rascher Wendung rechts und riß auch Ebba mit sich herum.

Hier ist die Grenze, Ebba. Wollen wir drüber hinaus?" Ebba stieß den Schlittschuh ins Eis und sagte:Wer an zurück denkt, der will zurück. Und ich bin's zufrieden. Erichsen und die Schimmelmann werden uns ohnehin erwarten, die Prinzessin vielleicht nicht."

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