Heft 
(1891) 67
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Deutsche Rundschau.

hatte, saß in Nähe des Fensters und sah nach dem Hilleröder Kirchthurm hin­über, dessen Wetterhahn in der Sonne blitzte; still lagen die Häuser da, die Dächer blink und blank, und wäre nicht der Rauch gewesen, der aus den hohen Topfschornsteinen aufstieg, so hätte man glauben können, es sei eine verwunschene Stadt. Nirgends Menschen.In solcher Stille zu leben," sprach er vor sich hin, welch' Glück!" und als er sich dann vergegenwärtigte, daß Holkenäs dieselbe Stille habe, setzte er hinzu:Ja, dieselbe Stille, aber nicht denselben Frieden. Wie beneidenswerth dieser Pastor! Er hat seine Gemeinde, seine Steingräber, und seine Moorfunde, den Herluf Trolle ganz ungerechnet, und läßt die Welt draußen ihren Gang gehen. Hilleröd ist seine Welt. Freilich, wer will sagen, was in ihm vorgeht. Er scheint so ruhig und abgeklärt, so ganz in Frieden, aber ist er's? Wenn es wahr ist, daß drei Prinzessinnen Hintereinanderweg, oder vielleicht auch a tsmxo, sich in ihn verliebten, so will mir solch' Idyll, als Ausgang von dem Allem, doch als ein fragliches Glück erscheinen. Eine Prin­zessin zu heirathen, ist freilich ein noch viel fraglicheres, aber wenn man's klug unterläßt und als einzigen Lohn seiner Klugheit nichts hat als solche Hilleröder Kleinstädterei, so muß einem doch immer so was wie Sehnsucht bleiben. Eine prächtige Frau, diese kleine dicke Kugel von Pastorin, aber ganz unangethan, einen Mann wie Schleppegrell seine Vergangenheit vergessen zu machen. Zuletzt hat doch Jeder seine Eitelkeit, und Pastoren sollen in diesem Punkte nicht gerade die Letzten sein."

Er phantasirte noch eine Weile so weiter und ging bei der Gelegenheit noch einmal Alles durch, was ihm der gestrige Tag, abgesehen von der kleinen Fest­lichkeit bei der Priuzessin, an Bildern und Erlebnissen gebracht hatte: den Spaziergang auf Fredensborg zu, das flache Fährboot mit seinem ausgespannten Seil, daran man sich über den Parkgraben ans andere Ufer zog, den wunder­vollen Blick auf die Rückseite des Schlosses mit seinem Steildach und seinen Thürmen und endlich den Muldenstein und das Gespräch mit Ebba.Ebba spricht doch nicht liebevoll genug von der Prinzessin und ist mir darin wieder ein rechter Beweis, wie schlecht sich Esprit und Dankbarkeit vertragen. Ist ihr etwas Pikantes auf der Zunge, so muß es heraus, und die Pietät wird zu Grabe geläutet. Die Stockholmer Geschichte, . . . nun von der will ich nicht reden, die mag auf sich beruhen, wiewohl auch da viel Grund zur Dankbarkeit vor­liegen mag; aber auch jetzt noch, Alles, was die Prinzessin sagt oder thut, ist eine Verwöhnung, und Ebba nimmt es hin, nicht bloß als selbstverständlich, sondern als wäre sie der Prinzessin überlegen. Und das ist sie nicht, die Prin­zessin ist nur von einer schlichteren Ausdrucksweise. Wie gut war das Alles wieder, was sie gestern, aus der Fülle der Erfahrung, über den alten Grundt- vig sagte, wobei mir einfällt, daß ich daraus eine gute Nachschrift für meinen Brief an die Dobschütz machen könnte. Der Brief ist ohnehin etwas mager- ausgefallen."

Und während er das sagte, nahm er seinen Platz an dem rechts neben dem Fenster stehenden Schreibtisch und schrieb auf die noch leer gebliebene Seite: Noch eine kleine Nachschrift, meine liebe Dobschütz. Unter unseren gestrigen Gesprächen bei der Prinzessin war auch eins über Grundtvig. Schleppegrell