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Deutsche Rundschau.
Und nun las er:
„Lieber Holk! Ich unterlasse es, wie Du weißt, grundsätzlich, Dir, in Deinen Kopenhagens Tagen, mit wirtschaftlichen Angelegenheiten aus Holkenäs beschwerlich zu fallen. Es war auch bisher nie nöthig, da Dein liebenswürdiger Charakter es leicht macht, an Deiner Stelle zu regieren; Du hast nicht bloß die glückliche Gabe, mit dem, was Andre thun, einverstanden zu sein, sondern die noch glücklichere, wenn der Ausnahmefall mal Antritt, fünf gerade sein zu lassen. Und um es gleich vorweg zu sagen, ich schreibe Dir auch heute nicht um pressanter wirtschaftlicher Dinge willen und habe noch weniger vor, ganz allgemein auf meine Lieblingspläne zurückzukommen, die, wie Du weißt, dahin gehen: lieber Shorthorns als Oldenburger (die Milchwirtschaft hat sich überlebt) und lieber Southdowns als Rambouillet. Was soll uns noch die Woll- productiond Ein längst überwundener Standpunkt, der für die Lüneburger Haide passen mag, aber nicht für uns. Der Londoner Cattle-Market, der allein ist es, der für Güter, wie die unsrigen, in Betracht kommt. Meat, Meat! Aber nichts mehr davon. Ich schreibe Dir wegen wichtigerer Dinge, wegen Christine. Christine, wie Dir die Dobschütz schon mitgetheilt haben wird, ist Leidend, ernst und nicht ernst, wie Du's nehmen willst. Sie braucht weder nach Karlsbad noch nach Nizza geschickt zu werden, aber doch ist sie krank, krank im Gemüth. Und daran, lieber Holk, bist Du Schuld. Was sind das für Briefe, die Du nun schon seit sechs Wochen schreibst, oder fast ließe sich sagen auch nicht schreibst. Ich verstehe Dich nicht, und wenn ich Dir, von Anbeginn unserer Freundschaft an, immer vorgeworsen habe: „Du kenntest die Frauen nicht", so muß ich jetzt alles Scherzhafte, was sich früher bei dieser Bemerkung mit einmischte, daraus streichen und Dir im bittersten Ernste sagen: Du verstehst die Frauen wirklich nicht, am wenigsten aber Deine eigene, meine theure Christine. Unsere theure Christine, wage ich, bei der Haltung, die Du zeigst, kaum noch zu sagen. Ich sehe nun freilich deutlich, wie Du hier ungeduldig wirst und nicht übel Lust hast, gerade mich als den Anstifter und Begründer all der Behandlungssonderbarkeiten zu verklagen, in denen Du Dich seit Deiner Abreise von Holkenäs mit ebenso viel Virtuosität wie Konsequenz ergehst. Und wenn Du Dich mir und meinen früheren Rathschlägen gegenüber durchaus auf Deinen Schein stellen willst, so kann ich Dir ein bestimmtes Recht dazu nicht absprechen. Ja, es ist richtig, ich habe Dir mehr als einmal zu dem Wege gerathen, den Du nun eingeschlagen hast. Aber, mein lieber Schwager, muß ich Dir zurufen: 68t moäu8 in robus. Muß ich Dich darauf aufmerksam machen, daß in all unserem Thun das Maß entscheidet, und daß der klügste Rath, xaräon, daß ich den meinigen darunter zu verstehen scheine, sicherlich in sein Gegentheil verkehrt wird, wenn der, der ihn befolgt, das richtige Maß nicht hält und den Vogen einfach überspannt. Und das hast Du gethan und thust es noch. Ich habe Dich beschworen, Christinews Eigenwillen gegenüber auf der Hut zu sein und ihrem Herrschergelüste, das sich hinter ihrer Kirchlichkeit verbirgt und zugleich immer neue Kraft daraus saugt, energisch entgegenzutreten und ich habe Dir, so ganz nebenher, auch Wohl den Rath gegeben, es mit Eifersucht zu versuchen und in Deiner Frau, meiner geliebten Schwester, die Vorstellung zu Wecken: