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Deutsche Rundschau.
könnte noch heute Mittag fort oder doch gegen Abend. Dann bin ich morger zu guter Stunde da. Vielleicht, liebe Frau Hansen, können Sie Jemand nack dem Hafen schicken und anfragen lassen. Aber es muß ein Bote sein, auf der Verlaß ist, denn mir liegt daran, sicher zu gehen."
Frau Hansen sagte, sie würde sich selber auf den Weg machen, und nach weniger als einer Stunde war sie von ihrem Gange wieder zurück und bracht« die Nachricht, heute gehe kein Schiff mehr, aber morgen gegen Abend gehe de: „Holger Danske" und sei zehn Uhr Vormittags vor Holkenäs.
„Das ist übermorgen. Welchen Tag haben wir heute?"
„Den einundzwanzigsten, gerade den kürzesten ..."
Holk dankte für ihre Bemühung und war in seinem Herzen froh, daß e? nicht Heiligenabend war, an dem das Schiff an dem Wasferstege von Holkenäe anlegen würde.
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Den 23. kam die Küste von Angeln in Sicht, und als zehn Uhr heran war sah man, von Deck aus, Schloß Holkenäs auf seiner Düne. Die Linien waren verschwommen, denn ein leiser Nebel zog, und einen Augenblick begann es soga: zu schneien. Aber der Flockentanz hörte schnell wieder auf, und auch der Nebes war so gut wie verschwunden, als die Schiffsglocke zu läuten anhob und der stattliche Dampfer anlegte. Holk überschritt die kleine Geländerbrücke, die man von Deck her nach dem Wassersteg hinübergeschoben hatte, dann schaffte der Stewart sein Gepäck nach und ehe fünf Minuten um waren, dampfte der „Holger Danske" weiter auf Glücksburg zu. Holk sah dem Schiff eine Weile nach, dann Warf er seinen Mantel, der ihn, beim Ersteigen der Terrasse, nur behinderi haben würde, zwischen die beiden Koffer und schickte sich an, den Steg entlanc zu gehen. Dann und wann blieb er stehen und sah nach Holkenäs hinauf. Es lag jetzt, wo der Nebel sich momentan verzogen hatte, klar vor ihm, aber öt und einsam, und der dünne Rauch, der ausstieg, wirkte wie wenn nur noch eir halbes Leben da oben zu finden sei. Die ziemlich zahlreichen Sträucher in Froni der Vorhalle waren, ein paar kleine Cypressen abgerechnet, alle kahl und entblättert, und die Vorhalle selbst zeigte sich mit Brettern verkleidet und mii Matten verhängt, um die dahinter gelegenen Räume nach Möglichkeit gegen den Nordost zu schützen. Alles still und schwermüthig, aber ein Friede, wie de: Nachglanz eines früheren Glücks, war doch darüber ausgebreitet, und diesen kam er jetzt zu stören. Eine Furcht befiel ihn plötzlich vor dem, was er vorhatte« Zweifel kamen, und sein Gewissen, so gut er's einzulullen wußte, wollte nicht ganz schweigen. Aber so oder so, jedenfalls war cs zu spät, und er konnte nicht mehr zurück. Es mußte sein. Wie würde Ebba ihn ausgelacht und ihm der Rücken gekehrt haben, wenn er, bei seinem Wiedereintreffen in Kopenhagen ih: gesagt hätte: „Ich wollt' es thuu, aber ich könnt' es nicht." Und so nahm e: denn seinen Weg wieder auf und stieg endlich langsam die Terrasse hinauf. All er oben war, rief er einen alten, zufällig des Weges kommenden Diener an, de: in einem Nebenhause seit Jahr und Tag schon das Gnadenbrot aß und fragt« ihn, „ob die Gräfin im Schloß sei?" — „Gewiß, Herr Gras," sagte der Alt« fast erschrocken, „in ihrem Schlafzimmer oben. Ich will voraus und der Frar