Heft 
(1891) 67
Seite
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Deutsche Rundschau.

auf den gewachsenen Felsgrund durchgraben. Bruchstücke uralten Thongeräthes lagen herum. An wesentlichen Aufklärungen hatte die Tiefe nichts ergeben; Schliemann war deshalb bereits im August nach Mykene übergesiedelt. Dennoch schien ein fast an der Oberfläche gelegenes Fundament ganz geeignet, die Auf­merksamkeit zu fesseln. Mehrere kreisrund geschnittene Steine, die damit in Verbindung standen, konnten nur Säulenbasen sein, deren alterthümlich primitive Form bei dem Mangel an sonstigen Resten aus Holzfäulen schließen ließ. Ich benutzte die erste Gelegenheit, Schliemann daran zu erinnern; aber erst im Jahre 1884 hat er, unter Dörpfeld's technischer Führung, diese Spuren weiter verfolgt, die ihm Anfangs nicht tief genug unter Schutt lagen, um Beachtung zu finden. Bekanntlich kamen dann dort die Reste des alten Königspalastes so vollständig zum Vorschein, daß wir heute nicht nur über den Grundriß, sondern zum guten Theile auch über den Aufbau und den decorativen Schmuck desselben unterrichtet sind. Gleiche Anlagen sind dann auch in Mykene und Troja erkannt worden. Wohl ist es eine glückliche Fügung zu nennen, daß Schliemann erst spät und mit geschulten Kräften an diese Aufgabe herangetreten ist.

Noch an demselben Tage, der uns nach Tiryns gebracht hatte (16. November) ritten wir die schweigende, wenig bebaute Ebene nach Mykene aufwärts. Es lag etwas Geheimnißvolles in dem grauen, steinigten Landschastsbilde; das Ziel wurde überhaupt nicht sichtbar, und doch schien über dem Ganzen eine Stimmung ausgebreitet, die an altersgraue Vergangenheit gemahnt. Dem Reisenden von heute freilich, den bereits die Eisenbahn zur Stelle bringt, wird für diese Art von Sammlung wenig Spielraum gelassen.

Unsere Spannung wurde noch begreiflich vermehrt, da ein Depeschenbote Schliemann's aus dem Wege zum Telegraphenamt in Nauplia mit dem Zurufe Gold, viel Gold" an uns vorüberjagte.

Es war Abend geworden, als die unansehnlichen Hütten eines Dorfes dicht vor uns auftauchten; wir befanden uns in Charvati und somit bereits am Fuße der Unterstadt von Mykene. Dieser Ort bildete das Standquartier Schliemann's und seiner hundertfünfzig Arbeiter. Mit der sinkenden Sonne war gerade die Feierstunde angebrochen, und fast gleichzeitig mit unserer Ankunft fluthete von oben her eine Menschenmenge in die eben noch todte Hauptstraße hinab.

Ein Blick lehrte, daß Charvati unmöglich eine Ausnahme von der Regel machen würde, nach welcher sich in griechischen Dörfern durchaus keine Vor­kehrungen zur Unterkunft der Fremden zu befinden Pflegen; wir mußten uns also wieder auf diehellenische Gastfreundschaft" verlassen, zu welcher jedesmal der Vornehmste am Orte berufen erscheint. In unserem Falle galt es also, Schlie­mann selber direct anzugehen. Alsbald wurde uns der Gesuchte bezeichnet, wie er unter den Letzten seiner Colonne auf einem Maulthier den Abhang herunter­ritt, eine mittelgroße Gestalt, in etwas vorgebeugter Haltung. Der stark ent­wickelte Kops zeigte frische Gesichtsfarbe; Haupthaar und Schnurrbart waren kurz geschnitten.Ist ein Archäologe unter Ihnen, meine Herren?" lauteten seine ersten Worte; in sichtlich gehobener Stimmung hieß er uns um so mehr willkommen, als wir einen so günstigen Zeitpunkt getroffen hätten.