Heft 
(1891) 67
Seite
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Erinnerungen an Heinrich Schliemann.

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Die Sorge um unsere Unterkunft war rasch erledigt. Bald sind wir in einem Hanse einquartirt, das früher ein Beamter Schliemann's bewohnt hatte. Um nichts besser oder schlechter erschien die von ihm selber bezogene Hütte, deren einziger langgestreckter Raum nothdürftig durch Bretterwände in Küche, Schlaf­gemach und Wohnzimmer getheilt war; letzteres mußte zugleich als Bibliothek, Speise- und Empfangssalon dienen. Hier versammelten wir uns alsbald wieder zur Abendmahlzeit, für welche der Herbst mancherlei willkommenes Federwild geliefert hatte.

Eigenartig bewegt war das Gespräch unter dem Eindrücke des Tages, der neuesten Funde, sowie der schlichten und doch so heroischen Persönlichkeit des Mannes, der nunmehr, nach monatelaugen Entbehrungen und Hindernissen ver­schiedener Art, sich einem großen Ziele endlich zu nähern schien. Von den körper­lichen Strapazen, die er bereits seit der Gluthzeit des Sommers in dieser Ab­geschiedenheit ertragen hatte, machte er kein Aufhebens; weit schlimmer empfand er gewisse Schwierigkeiten, welche ihm die Griechen bereiteten, sowie die mangelnde Anerkennung seitens der Deutschen. Aber immer wieder leuchteten Energie und Begeisterung aus seinen Reden heraus, und dann erhielt die sonst einfache, nicht allzu lebhafte Sprechweise, welcher man die mecklenburgische Heimath noch recht Wohl anmerken konnte, eine etwas pathetische Färbung. Mit Schliemann theilte seine Gattin Sophia, eine ihm seit sieben Jahren vermählte Griechin, wie in Troja so auch hier die Beschwerden der Ausgrabungen. In Folge derselben hielt sie gerade jetzt ein leichter Fieberansall ans Bett gefesselt, und es blieb darum unsere Bekanntschaft mit ihr in Mykene seltsam genug eine solche von Ohr zu Ohr, da die dünne Scheidewand sie noch weniger als die Krankheit hinderte, mit ihrer klangvollen Stimme an unserer Unterhaltung theilzunehmen. Erst später in Athen bin ich ihr auch persönlich näher getreten, einer Frau von seltener Geistes- und Herzensbildung, von stattlichem Wuchs und gewinnendsten Formen, von äußerlich ruhigem Temperament. Frau Schliemann durfte als der gute Genius ihres rastlosen Gatten bezeichnet werden. Wenn es wahr wäre, wie man in Athen Wohl erzählen hörte, daß Schliemann sich diejenige Frau erkoren habe, welche die meisten Homerverse auswendig wußte, so hätte ihn daneben noch ein seltener Glückszufall geleitet. Aehnlich wird seine Trennung von einer russischen Gattin (die mit zwei Kindern noch in Petersburg lebt) mit ihrer mangelnden Neigung für seinen Lieblingsdichter erklärt. Von der zweiten Gattin besaß er damals ein sechsjähriges Töchterchen, Andromache, während sein Sohn, Agamemnon, erst in dem folgenden Jahre (1877) geboren wurde.

Noch an demselben Abend mußten wir unter Schliemann's Leitung in tiefer Dunkelheit zu dem Hause des griechischen Commissars hinüberziehen, unter dessen Obhut die bis dahin gemachten Einzelfunde standen. Ich habe hier kein Bild von den Gegenständen selber und von den befremdenden Eindrücken zu entwerfen, welche diese ersten Vertreter einer bis dahin völlig unbekannten Kunstperiode in uns hervorriefen. Schliemann näherte sich damals erst den Hauptresultaten seiner Ausgrabungen, aber schon das Vorhandene: Steinreliefs, Thonwaare, Goldsachen und geschnittene Steine, bildete ein Museum ganz einziger Art. Ich erwähne diese Besichtigung vielmehr um eines anderen, persönlichen Umstandes willen, der