Heft 
(1891) 67
Seite
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Deutsche Rundschau.

uns sofort ausfallen mußte. Während Herr Stamatakis, so hieß der Delegirte der griechischen Regierung, welche gesetzlich in den Besitz sämmtlicher Funde trat, uns Fremden alle Schätze aus das Eifrigste und Bequemste vorwies, behandelte er Herrn Schliemann selber mit so unverhohlenem Mißtrauen, ja fast mit Nicht­achtung, daß wir uns eines peinlichen Gefühles nicht erwehren konnten. Ich habe später Herrn Stamatakis als einen zwar etwas starren, doch überaus ehren- werthen und lauteren Charakter kennen gelernt; von ihm erfuhr ich denn auch den von allzu peinlicher Gewissenhaftigkeit dictirten Grund zu seinem Verhalten.

Im Mai 1873 hatte Schliemann bei seinen Ausgrabungen in Troja den berühmtenSchatz des Priamos" gehoben. In einer Tiefe von achtundzwanzig Fuß erregte während der Arbeiten ein ausfallender kupferner Gegenstand seine Aufmerksamkeit; sofort ließ er, zeitiger als gewöhnlich, die Frühstückspause an­kündigen und löste nun mit Hülfe seiner Gattin, die alle Gegenstände in ihr Umschlagetuch packte, die goldenen und silbernen Gesäße, Geschmeide und anderen Kostbarkeiten aus der durch eine Brandkatastrophe verhärteten Umhüllung von Schuttmassen heraus, während eine überhängende Mauer jeden Augenblick herab­zustürzen drohte. Bald darauf brach Schliemann die Ausgrabungen überhaupt ab und nahm diesen seinen bedeutendsten Fund nach Athen mit sich. Er moti- virte die eigenhändige und geheimnißvolle Bergung des Schatzes mit der Habgier der Arbeiter, welche tatsächlich Unterschleife verübt haben. (Einige Goldsachen wurden ihnen wieder abgejagt, z. Th. bereits in landesüblichen Frauenschmuck nmgegossen, den man jetzt im Museum zu Constantinopel betrachten kann.) Der türkischen Regierung gegenüber, welche contractlichen Anspruch auf die Hälfte aller Funde hatte, war Schliemann freilich im Unrecht. Aber nimmermehr hätte er sich von seinemPriamosschatze" getrennt; daß ihn nicht Habgier leitete, beweist am besten seine Schenkung dieser und aller anderen trojanischen Funde an das Deutsche Reich. Er ließ sich damals also durch einen griechischen Gerichtshof zu zehntausend Franken Schadenersatz verurtheilen und übermittelte den Türken zur Verwendung für das kaiserliche Museum" freiwillig die fünffache Summe, womit dieselben anscheinend ganz zufrieden waren. Echt Türkisch und echt Schliemannisch! Immerhin verzögerte sich auch nach dieser Erledigung des Pro- cesses der Ferman zu weiteren Ausgrabungen auf Troja bis in das Jahr 1876 hinein, als Schliemann den Spaten bereits in Mykene eingesetzt hatte. Die weit wichtigeren und folgenreicheren Resultate ans diesem Boden waren somit eigent­lich Früchte einer unfreiwilligen Muße. Aber mit den auf ihre Alterthümer weit eifersüchtigeren Griechen hatte Schliemann in Folge jener Vorgänge einen schwierigen Stand; daher die Argnsaugen und die schützend ausgebreiteten Arme des Herrn Stamatakis im provisorischen Museum zu Mykene.

Der nächste Tag sollte uns die localen Ergebnisse und die Arbeitsweise Schlie- mann's Vorführer:, in ewig denkwürdiger Umgebung und unter hoch gespannten Erwartungen.

Um sechs Uhr Morgens wurde es im Dorfe lebendig. Begleitet von dem unvergeßlichen Bilde des Sonnenaufganges über Berge und Meer stiegen wir die Viertelstunde zur Akropolis hinan. Der Weg durchschnitt die geringen Reste der Unterstadt und führte schon nahe vor dem berühmten Löwenthore der Burg an