Erinnerungen an Heinrich Schliemann.
283
jenen gewaltigen, unterirdischen Grabgewölben mykenischer Könige vorüber, deren Zugang und Inneres Schliemann bereits so weit als möglich gesäubert hatte.
Gegenwärtig aber war er bei der merkwürdigsten Stätte seiner gesammten Ausgrabungsthätigkeit beschäftigt. Innerhalb der Burg, nahe dem Hauptthore hatte sich unter dem Schutte ein weiter Doppelring aus aufrechten (und einst horizontal verbundenen) Steinplatten aufgethan; daß er Wichtiges umschloß, konnte bereits aus bedeutsamen Anzeichen vermuthet werden. In noch größerer Tiefe waren Kalksteinreliess zum Vorschein gekommen, die aus Gräber schließen ließen; die Erde hatte außer Thonwaare schon mancherlei Goldsachen gespendet; wo der Felsgrund erreicht war, schienen Einschnitte auf schachtartige Anlagen hinzuweisen. Unter allen Leistungen Schliemann's gibt es keine, welche seinem Tastsinne ein glänzenderes Zeugniß ausstellt, als die Ermittelung dieses uralten Bestattungsortes mykenischer Fürstengeschlechter mit seinem ungeahnt und unvergleichlich reichen Inhalt.
So wurden denn die Arbeiten in jenen Tagen mit verdoppeltem Eifer betrieben. Ameisenartig erschien das Gewimmel der Hackenden und Schürfenden in dem vertieften Grunde der kreisförmigen Einhegung; Andere schütteten die Erde aus Mattenkörben über den Rand der Burgmauer. Von erhöhten Punkten aus führte Schliemann mit beständig ermunternden Zurufen das Commando, sammelte und verzeichnete Stamatakis sorgfältig die Funde, — in diesen Schichten meist nur verstreute Thonwaare ältester Technik.
Ein Ueberblick der Gesammtanlage war damals noch kaum zu gewinnen; vor Allem ließ sich nicht absehen, wann die entscheidenden Tiefen erreicht sein würden. Auch der Einzelne mußte Bedenken tragen, Schliemann's bereitwillige Gastfreundschaft auf so unbestimmte Dauer hin in Anspruch zu nehmen; mehrere Genossen waren schon durch die beschränkte Zeit zu raschem Ausbruch genöthigt. Ein reichliches Mittagsessen vereinigte uns noch einmal auf chklopischen Mauerblöcken zu frohem Gedankenaustausch, dann ging es wieder hinab nach Nauplia, nicht ohne die stille Hoffnung, im rechten Moment wieder an Ort und Stelle sein zu können. Leider hielt dann die Windstille unser Fahrzeug tagelang an einsamen Küstenstrichen zurück, und als wir endlich, die halb Verschollenen, nach einer kleinen Odyssee in Athen wieder eintrasen, begannen bereits die Telegramme Schliemann's Schlag auf Schlag von Goldfunden zu erzählen, die jedesmal ver- muthen ließen, daß nun der letzte Schatz gehoben sei. Tatsächlich waren die Grabungen so geführt worden, daß der Hauptinhalt der fünf von Schliemann entdeckten, durchschnittlich je drei Leichen enthaltenden Gräber innerhalb weniger Tage ausgeräumt werden konnte; ein sechstes wurde nachträglich von Stamatakis aufgedeckt, da Schliemann (wie es scheint, in Folge eines endgültigen Zerwürfnisses) bereits Anfang December nach Athen zurückgekehrt war.
Bald trafen auch die beweglichen Funde ein, um zunächst in den Gewölben der Nationalbank sichere Unterkunft zu finden. Dort wurden uns die wichtigsten Stücke durch die Güte des Generalaufsehers der Alterthümer nach und nach zugänglich, später auch dem weiteren Publicum durch eine provisorische Ausstellung. Die erste Bekanntschaft damit wirkte auf weite Kreise von Gelehrten und Laien betäubend und verwirrend. Schätze des Alterthums, unter denen der Material-