Heft 
(1891) 67
Seite
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Deutsche Rundschau.

Werth der Goldsachen allein sich auf mehr als Hunderttausende Francs belaufen mochte, hatte noch Niemand beisammen gesehen; sie schienen das homerische Bei­wort desgoldreichen Mykene" vollauf zu rechtfertigen. In der Beurtheilung derselben erhob sich jedoch alsbald ein aufregender Widerstreit der Meinungen, bei dem das Gefühl mindestens ebenso sehr wie das Wissen beteiligt war. Schlie- mann freilich hatte bereits am 28 . November in einem Telegramm an den König Georg von Griechenland die von ihm entdeckten Gräber für diejenigen des Aga­memnon und seiner Begleiter in Anspruch genommen, welche nach ihrer Rückkehr aus Troja von Klytaemnestra und Aegisthos schändlich hingemordet worden seien. An dieser Ueberzeugung hat er denn auch meines Wissens unerschütterlich sestge- halten. Leute wie Gladstone sind ihm hierin gefolgt. Aber auch für die, welche nicht an die Wirklichkeit der Sage glauben, lag es doch am nächsten, den Maß­stab homerischer Cultur, Kunst und Sitte anzulegen. Wie groß war das Be­fremden! Vergebens schaut das Auge aus nach Erinnerungen an die vertraute Dichtung! Auf einem Goldgefäß sind ein paar Vögel gebildet, die Tauben sein und an denBecher des Nestor" erinnern könnten. Doch ein solcher Anknüpfungs­versuch bleibt nur allzu vereinzelt. Einen Gegensatz bildet schon das Leichen- begräbniß anstatt der homerischen Verbrennung; und nun der phantastische Todten- apparat und sonstige Schmuck, die Goldmasken, Diademe, Brustschilde, die goldenen Ringe, Kleiderbesätze u. s. w.! Die Kunstfertigkeit selber, sie hat nichts gemein mit den wenn auch kindlichen, so doch jugendfrischen, gewissenhaften Erstlings­arbeiten der bekannten griechischen Kunst sie erschien überladen, in Routine erstarrt byzantinisch. Man ist bei dem letzten Wort nicht bloß vergleichs­weise geblieben, sondern hat die mykenischen Alterthümer in vollem Ernste für Produkte einer verhältnißmäßig jungen, nachclassischen Epoche und zum Theil sogar für modern erklärt.

Solche Urtheile, denen damals auch höchst beachtenswerte Autoritäten zu­neigten, konnten einen Anfänger fast bedenklich machen. Und dabei hatte ich bereits zu Beginn December in einem gerade unter der Presse befindlichen Hefte derMittheilungen des archäologischen Institutes" zu diesen Fragen Stellung ge­nommen, die Cultur der Schliemann'schen Gräber für eine einheitliche und dem Ursprung nach vorhellenische erklärt! Eine sehr willkommene Unterstützung wurde mir dann erst im März durch den berühmten Archäologen Newton, der eigens von London herübergekommen war, um die mykenischen Alterthümer zu studiren. Fast gleichzeitig konnte mich ein neu entdecktes Höhlengrab bei Spata in Attika ermuthigen; ich glaubte es ohne Zögern der gleichen Epoche zuweisen zu können, ein Vergleich, gegen den sich wiederum Schliemann energisch sträubte.

Schliemann hat es, seinen Traditionen getreu, sehr Wohl verstanden, bedeu­tende oder doch renommirte wissenschaftliche Firmen in sein Interesse zu ziehen und sich ihrer Beihülse zu versichern. Er ist darin in den späteren Jahren be­sonders glücklich gewesen; ich nenne nur Virchow als Anthropologen und Natur­forscher, Dörpfeld als Architekten und Beobachter. Den Archäologen hat er sich niemals in gleicher Weise genähert; dieses Gebiet blieb seine eigene Domäne, und wo er in seinen Büchern hierzu Anderen das Wort gibt, sind es Beiträge englischer oder französischer Dilettanten und Orientalisten von mehr als zweisel-