Erinnerungen an Heinrich Schliemann.
285
haftem Werth. Um so größere Hochachtung, ich möchte sagen, etwas von werbender Ehrfurcht, brachte er namentlich den deutschen Gelehrten im persönlichen Verkehr entgegen; sicherlich hat ein Fachgenosse Recht, wenn er diese Erscheinung aus dem Bildungsgänge Schliemann's erklärt. Auch uns Jüngere behandelte er mit stets gleichbleibender Auszeichnung; er zog uns bei jeder Gelegenheit in sein geselliges Hans und: „alle Deutsche Ihrer Bekanntschaft sind ebenfalls recht sehr eingeladen," lese ich heute wieder in einem seiner Briefe, der mir gerade in die Hände fällt. Schon damals füllte stets eine internationale Gesellschaft seine Räume; noch größer war der Zudrang, als sich Ende der siebziger Jahre in der Akademiestraße der stolze Palast „zum Hause Ilion" erhoben hatte. Schliemann und sein Haus galten fortan als erste „Sehenswürdigkeit" Athens. Niemals hat der Mann, auch dem lästigsten Besucher gegenüber, das schlichte Wesen und den verbindlichen Umgangston aufgegeben, trotz manchen, für die Näherstehenden vernehmlichen Seufzers, wenn wieder neue Fremde antraten. Dagegen konnte er ein ungestümer und rastloser Gegner werden, wenn es galt, öffentliche Angriffe auf den Charakter und den Werth seiner Funde zurückzuweisen. Seine Taktik bestand gewöhnlich darin, selber angriffsweise vorzugehen, alle Kraft und verfügbaren Mittel zunächst an das eine Ziel zu setzen, insbesondere auch die Stimmen Anderer zu sammeln, um den Bekämpften gleichsam zu erdrücken. Der einzige Fall von directer Mitarbeiterschaft, in die ich aus Schliemann's Drängen hineingezogen worden bin, betraf eine solche Polemik. Dieselbe wurde ausgefochten im — „Petersburger Herold", wo zuerst ein übereifriger Anhänger des dortigen Akademikers und Direktors an der Eremitage, L. Stephani's, allerneueste Resultate dieses Gelehrten ins weitere Publicum getragen hatte. Darnach stammten die Schliemann'schen Goldfunde aus christlicher Zeit und zwar aus — Südrußland. Gothische Scharen, wahrscheinlich die Heruler vom Jahr 267, hätten dieselben nach Griechenland verschleppt und in Mykene eingescharrt! Selbst die trojanischen Kostbarkeiten wären auf gleiche Art zu erklären. Alleiniger Träger dieser lustigen Hypothesen war — der Schmetterling. Kunstdarstellungen desselben seien von der Zeit vor Alexander dem Großen sonst nicht bekannt; wenn solche aus mykenischen Goldblättchen vorkämen, so müßten diese nothwendig jünger sein. Damit sei aber auch der späte Ursprung der Grabanlagen selber erwiesen; denn „ein Grab kann niemals älter sein, als das jüngste in demselben gefundene Jn- dustrieproduct." Ganz außerordentlich wahr! Wenn nur das Schmetterlingsargument nicht in jedem Sinne verkehrt und unhaltbar gewesen wäre. Der Schmetterling wurde in alexandrinischer Zeit beliebt als Symbol der Seele, der Psyche, und deshalb häufiger dargestellt; weshalb sollte er aber als Ornament nicht früher verwerthet worden sein? In Mykene ist er lediglich Ornament; die mykenische Kunst ist überdies noch nicht im eigentlichen Sinne griechisch; sie läßt mancherlei Analogieen zu der ägyptischen erkennen; die Aegypter haben den Schmetterling ruhig abgebildet u. s. w.
Ich bin bei diesem Beispiel ausführlicher gewesen, um zu zeigen, Wie leicht es an sich war, eine so dünne Spitze der Beweisführung abzubrechen und auch den Laien von der Unhaltbarkeit der Theorie Stephani's zu überzeugen. Daß dieselbe mit jenen paar Hinweisen abgethan sei und in sich selbst zerfallen würde.