Ecenischer Epilog
zur ^estvorstellung des Weimarer Theaters
am 7. Mai s89f*)>
Von
Gruft von Wildenbruch.
Beim Aufgange des Vorhanges ist die Bühne fast dunkel. In dämmernden Umrissen gewahrt inan das Doxxelstandbild Goethe's und Schiller's, wie sich dasselbe vor dem Theater zu Weimar erhebt; hinter dem Standbilde sieht man ein in antikem Stile gehaltenes Gebäude, mit säulengetragenem Vorbau. Zwischen den Säulen sind schwere, geschlossene Vorhänge. Nachdem die Musik, welche den Vorgang einleitet, verklungen ist, stammt über dem Gebäude im Hintergründe ein Halbbogen von sieben leuchtenden Sternen aus, deren Licht sich aus die Gestalten
der Dichter ergießt.
Goethe.
(Reckt sich, tief aufathmend, aus seiner Starrheit auf, führt die rechte Hand, die den Aranz hielt, langsam über Stirn und Augen, indem er den Aranz in Schiller's Hand gibt.)
Woher dies Licht? — Bist du's, geliebter Mond,
Der seinen Strahl, vertraulich und gewohnt Aus stillen Höhen mir herniedersendet,
Und mir nach starre,: Schlummers langer Nuh'
Erwachens süße Freude wieder spendet?
Schiller.
(In der einen Hand den Aranz haltend, hebt langsam die andere Hand und legt sie auf Goethe's Schulter.)
Nicht war's der Mond —
Goethe.
Freund und Gefährte Du,
Zerstob auch Dir des Schlummers tiefe Nacht?
*) Zur festlichen Begehung des Tages, an dem vor hundert Jahren Goethe die Leitung des Weimarer Theaters übernahm, veranstaltete dieses in den ersten Tagen des Monats Mai eine Feier, bei welcher am 7. des genannten Monats „Die Jäger" von Issland, mit denen seiner Zeit das Theater eröffnet ward, zur Ausführung gelangten. Dem Stücke, welchem der vor hundert Jahren von Goethe gedichtete Prolog voranging, schloß sich alsdann der hier zum Abdruck gebrachte Epilog Ernst von wildenbruch's an.
Deutsche Rundschau. XVII, 9.
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