322
Deutsche Rundschau.
Schiller.
Zch schlief wie Du — wie Du biu ich erwacht.
Goethe.
Gewahrst auch Du den wunderbaren Glanz,
Der stammend durch die stillen Lüfte schreitet? wie einer Krone goldgefügter Kranz Sich um die Zinnen jenes Hauses breitet?
Schiller.
Ich seh' das Licht — das Haus ist mir bekannt — Zn meiner Seele heben sich und regen Gewalten, die, vom Schlummer übermannt, wie Träume der Vergangenheit gelegen.
Ls zeigt das Licht den Ort mir noch einmal, wo meine Thaten sich der Welt verkündet,
Ls auferwacht des Schaffens süße Oual,
Die einst so lodernd dieses Herz entzündet.
Und wieder naht des Grames düst're Macht,
Daß allzu früh der Schlaf mich überschattet,
Und daß vom Werke, das nur halb vollbracht,
Die Hand entsank, vor ihrer Zeit ermattet.
(Lr lehnt das Haupt an Goethe's Brust.)
Goethe.
Nicht vor der Zeit; sprich Trauer nicht und Gram, Nicht Zufall war's, der früh hinweg Dich nahm. Zufall ist Schlangenbiß, der Kleines sticht;
Ans große Dasein rührt der Zufall nicht.
Schiller.
Und soll ich preisen, wenn's das Schicksal war,
Die Macht, die mir Feindseliges verhängte?
Die der Gestalten halbgeborne Schar Zurück ins Nichts des Ungebornen drängte?
Goethe.
Lin jedes Leben trägt im eignen Schoß Sein frühes oder spätes Todesloos.
Vorahnend, daß man früh Dich rufen werde,
Bist Du hinausgestürmt in diese Lrde Der Flamme gleichend, die sich selbst verzehrt Und dadurch Anderen das Licht gewährt.
Mein Leben war der Baum, der langsam steigt, Der Wurzeln senkt, in Aesten sich verzweigt;
Die Lrnte, die Jahrzehnte mir getragen,
Du pflücktest sie in wenigen Lebenstagen,
So schritten Beide wir den Lebenspsad Der uns geschrieben war im Götterrath.