338
Deutsche Rundschau.
niederzukämpfen mir nur dadurch gelang, daß ich mir den christlichen Sinn und die ganze Glaubensfestigkeit der theuren Entschlafenen vergegenwärtigte, den christlichen Sinn, der das Leben trägt, so lange Gott es will.
Der nächste Tag schien mir auch ein Recht zu diesem meinem Vertrauen geben zu sollen. Christine hatte sich, wie sie mir sagte, spät erst zur Ruhe begeben, aber ihr Aussehen zeigte nichts von tteberwachtsein, im Gegentheil, eine Frische gab sich zu erkennen, wie ich sie, seit dem Tage ihrer Wiedervereinigung, nicht mehr an ihr wahrgenommen hatte. Sie war, als sie zum Frühstück kam, entgegenkommender und freundlicher als gewöhnlich, schlug einen beinah herzlichen Ton an und redete Holk zu, sich an einer für den zweitnächsten Tag festgesetzten Jagdpartie zu betheiligen, zu der er eben eine Einladung von Graf Baudissin erhalten hatte. Dann besprachen sie sonderbarerweise Toilettenangelegenheiten, sogar ganz ausführlich, aber freilich nur mit Rücksicht auf Asta, die nun über siebzehn sei und in die Gesellschaft eingeführt werden müsse, bei welchem Worte sich ihr Auge mit Thränen füllte.
So verging der Tag, und die Sonne stand schon tief, als sie mich aufforderte,
mit ihr an den Strand zu gehen. „Aber," setzte sie hinzu, „wir müssen uns
eilen und unten sein, eh' es dunkel wird."
Und gleich danach stiegen wir die Terrasse hinab. Unten an gekommen, war ihr der Weg am Strande hin nicht recht, der Sand sei so feucht und ihr Schuhzeug so leicht, und so gingen wir denn auf den Steg hinauf, in einem Gespräch, in dem die Gräfin absichtlich jedes ernstere Thema zu vermeiden schien. Als wir endlich bis an die Plattform und die kleine Treppe gekommen waren, an der die Dampfschiffe anlegen, setzten wir uns aus eine Holzbank, die Holk seit kurzem erst an dieser Stelle hat ausstellen lassen und sahen in die Sonne, deren Widerschein auf dem nur wenig bewegten Meere fast noch schöner war als ihre Farben
pracht in dem Gewölk darüber. „Wie schön," sagte Christine. „Laß uns den Untergang hier abwarten. Freilich, es wird schon kalt, und Du könntest uns Wohl unsere Mäntel Holen. Aber bitte, spare Dir die Stufen und ruf' es bloß die Terrasse hinaus. Asta wird es schon hören."
Sie sprach das Alles mit einem Anflug von Veilegenheit, denn etwas Unwahres sagen, widerstrebte ihrer Natur; aber wenn diese Verlegenheit auch gefehlt hätte, so wäre mir das Ganze doch ausgefallen, weil ihre fast zu weit gehende Zartheit und Güte gegen mich es immer ängstlich vermied, irgend einen Dienst von mir zu sordern. Sie sah auch, welche Richtung meine Gedanken nahmen, aber ich durfte sie's doch nicht klar und unumwunden wissen lassen, was an Besorgniß in meiner Seele vorging, und so ging ich denn den Steg wieder zurück und die Terrasse hinauf, denn das mit dem „Hinaufrufen bis Asta es höre," war nur so hingesagt worden.
Als ich wieder am Ausgang des Steges ankam, fand ich die Gräfin nicht mehr und wußte nun, was geschehen. Ich eilte zurück, um Hülfe zu holen, trotzdem ich sicher war, daß Alles nutzlos sein würde. Holk war wie betäubt und wußte sich nicht Rath. Endlich aber wurde das Dorf allarmirt und bis in die Nacht hinein suchte man an Steg und Strand. Auch Boote wurden abgelassen und fuhren ins Meer hinein, auf eine nur von wenig Wasser überspülte Sandbank zu, die dem Stege quer vorliegt. Aber durch Stunden hin ohne jeden Er-