Unwiederbringlich.
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folg, und erst am anderen Morgen kamen Holkebyer Fischer aufs Schloß und meldeten, daß sie die Gräfin gesunden hatten. Wir gingen nun alle hinunter. Der Ausbruch stillen Leidens, den ihr Gesicht so lange getragen hatte, war dem einer beinah' heiteren Verklärung gewichen, so sehr bedürftig war ihr Herz der Ruhe gewesen. Und auf einer Bahre, die man aus der Kirche herbeigeschafft hatte, trug man sie nun, weil man die Steigung der Terrasse vermeiden wollte, durch die Düne bis ins Dorf und dann den mäßig ansteigenden Parkweg hinauf. Alles drängte herzu, und die armen Leute, für die sie gesorgt, wehklagten, und bittere Worte wurden laut, die der Graf, fo hoffe ich, nicht hörte.
Wie das Begräbniß war und wie Petersen sprach, der an diesem Tage, das muß ich bezeugen, auch das rechtgläubigste Herz zufrieden stellen konnte, das haben Sie gelesen in dem „Arnewieker Boten", den Ihnen Baron Arne geschickt hat und vielleicht auch in den „Flensburger Nachrichten".
Ich habe nur noch hinzuzufügen, was vielleicht angethan ist, uns über den Seelenzustand der Gräfin und über das, was sie den letzten Schritt thun ließ, ins Klare zu bringen. In derselben Stunde noch, als wir sie vom Strand heraufgebracht hatten, gingen wir auf ihr Zimmer und suchten, ob sich nicht ein Abschiedswort fände. Wir fanden auch wirklich mehrere Briefbogen, deren Anrede- Worte zeigten, daß sie den Willen gehabt hatte, von den ihr Zunächstehenden, von Holk, von Arne und auch von mir Abschied zu nehmen. Den Ueberschriften an Arne und mich waren ein paar Worte wie „Habe Dank" und „wenn Du diese Zeilen liest" hinzugefügt, aber Alles war wieder durchstrichen und dem Bogen mit der Anrede „lieber Holk" fehlte auch das. Dafür war dem für Holk bestimmten Bogen ein zerknittertes und dann wieder sorgsam glatt gestrichenes Blatt eingelegt, darauf das Lied stand, das Elisabeth Petersen, unmittelbar vor Hvlk's Abreise nach Kopenhagen, gesungen und dessen Vortrag damals, ähnlich wie jetzt das vorerwähnte Volkslied aus dem Englischen, einen so tiefen Eindruck auf Christine gemacht hatte. Dieses jüngst gehörten Volksliedes werden sich Ew. Hochwürden sicherlich noch erinnern, aber das früher gehörte wird Ihrem Ge- dächtniß entschwunden fein, weshalb es mir gestattet sein mag, der ersten Strophe desselben hier eine Stelle zu geben. Diese Strophe lautete:
Die Ruh' ist wohl das Beste Von allem Glück der Welt;
Was bleibt vom Erdenfeste,
Was bleibt uns unverzollt?
Die Rose welkt in Schauern,
Die uns der Frühling gibt;
Wer hatzt, ist zu bedauern,
Und mehr noch fast, wer liebt.
Die letzte Zeile war leis und kaum sichtbar unterstrichen. Eine ganze Geschichte lag in diesen verschämten Strichelchen.
Ihnen wird Ihr Amt und Ihr Glaube die Kraft geben, den Tod der Freundin zu verwinden, aus meinem Leben aber ist das Liebste dahin, und was mir bleibt, ist arm und schal. Asta bittet, sich Ihnen empfehlen zu dürfen, ebenso Elisabeth Petersen. Ew. Hochwürden ergebenste
Julie von Dobschütz.
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