Heft 
(1891) 67
Seite
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Literarische Notizen.

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Weise gerichtet; mit verschwindenden Ausnahmen hielt man an der Verbindung mit Dänemark fest, solange ein Sproß des Oldenburger Manns­stammes zugleich König und Herzog war. Aber ebenso tief fühlte das Volk die Pflicht, seinen Herzog daran zu hindern, daß er in seiner gleichzeitigen Eigenschaft als König von Däne­mark die beschworene Treue gegen seine ange­stammten deutschen Lande breche (S. 209). Wir glauben den Verfasser versichern zu können, daß wenn schon in den Herzogthümern selbst nach seiner Aussage diese Auffassung erstaun­licher Weise von einem Theil der jüngeren Geschlechter verkannt wird sie doch im übrigen Reich von allen Urtheilsfähigen stets getheilt worden ist und heute noch getheilt wird. Wir haben jetzt Sybel's klassische Dar­stellung der schleswig-holsteinischen Frage und ihrer Lösung. Daneben wird eine so charakter­volle Schilderung eines wackeren Mitkämpfers gewiß ihre gebührende Stelle finden.

-5. Stanley^ Nachhut in Yambuya, unter Major Edm. M. Barttelot. Heraus­gegeben von Major G. Barttelot. Au- torisirte Uebersetzung von E- Oppert, Hamburg, Verlagsanstalt u. Buchdruckerei Aktiengesellschaft (vormals I. F. Richter). 1891.

Ein volles Jahr nach seiner Rückkehr aus Afrika trat Stanley plötzlich mit den schwersten Anklagen gegen den Leiter der von ihm am Aruwimi zürückgelassenen Nachhut hervor. Dieser war bekanntlich Major Edm. M. Barttelot, welcher in Aruwimi im Lager von Bomalya ermordet wurde. Es waren Anklagen so schwerer Art, daß sich der Bruder des Ermordeten ver­anlaßt gesehen hat, zu dessen Rechtfertigung das Tagebuch des Todten herauszugeben, trotz­dem es nicht für die Oesfentlichkeit bestimmt war. Selbstverständlich mußte die Nachlaßschrift redigirt werden; aus diesem Grunde, weil der Herausgeber mit dem Verstorbenen durch so enge verwandtschaftliche Bande verknüpft war, ist das vorliegende Buch als Beweismittel nicht ganz einwandssrei. Es läßt den Leser im Zweifel, ob nicht doch die auch hier wiederholt betonte Heftigkeit Barttelot's die Ursache zu seiner Ermordung war; ob es nicht möglicher Weise auch hier heißt: oÜ6rcü63 1a tamma. Das Eine aber spricht aus jeder Zeile von Major Barttelot's Tagebuch, daß wir es mit einem durchaus ehrenhaften, wahrheitsliebenden Charakter zu thun haben, mit einem Mann voller Gemüth, Energie und Thatkraft. Soldat mit Leib und Seele, gehen ihm Ehre und Pflicht über Alles. Sein Vorleben beweist uns, daß Tapferkeit und Muth zu seinen hervorragenden Eigenschaften zählten und daß er ein echter Gentleman war. Auf keinen Fall ist er der unfähige Mann, als welchen ihn Stanley gegen bessere Ueberzeugung erscheinen zu lassen sich bemüht. Stanley war von Barttelot's großem Werthe überzeugt, ebenso davon,^ daß er bei einer solchen Expedition ganz an seinem Platze stand, und dies genügte, um den ganzen Haß und die volle Eifersucht des ruhmsüchtigen Stanley zu erregen. Das Buch ist übrigens

mehr als ein Versuch, die von Stanley ange­griffene Ehre des Ermordeten wieder herznstellen, es ist eine einzige große Anklage gegen Stanley selbst, so daß dieser seinerseits darauf wird be­dacht sein müssen, sich von dem zu reinigen, was ihm der empörte Bruder ins Gesicht schleudert. Es ist außerdem für die Geschichte der denkwürdigen Stanley'schen Emin-Pascha- Expedition nach jeder Richtung vom höchsten Interesse, besonders auch was'die eigentlichen Motive derselben angeht, und trägt mehr zur Klärung jener Ereignisse bei, als'irgend eine andere Publikation.

x. Im polillqutz en Hunisie. Im

krotaetorat et 868 oriZineg, pur k. II. X. karis, Indrairie NIon. 1891.

In unseren Tagen allgemeiner und beständig zunehmender Theilnahme an colonialen Fragen verdient das vorliegende Buch die Aufmerksam­keit der deutschen Lesewelt. Einmal als Bei­trag zur Kenntnis; eines interessanten, wenig beachteten Kapitels neuerer Geschichte und des durch dasselbe bedingten unversöhnlichen Gegen­satzes zwischen Frankreich und Italien; vor­nehmlich aber als Auseinandersetzung über Wesen und Eigenthümlichkeit des Protectorats-Systems, welches die Pariser Regierung in ihren sämint- lichenneuenErwerbungen(Madagascar,Tonking- Annam und Tunesien) zur Ausführung gebracht hat. Dieses System steht zu den Üeberliefe- rungen französischer Colonialpolitik und fran­zösischer Verwaltungspraxis in so ausgesproche- - nem Gegensatz, daß seine Anwendung aus leb- ! haften Widerspruch gestoßen und lediglich wegen ^ seiner finanziellen Bequemlichkeit von der Volks- ^ Vertretung zugelassen worden ist. Seineangebliche Halbheit" bildet noch gegenwärtig den Gegen- ^ stand heftiger Anfeindungen der radikalen Par- ^ tei, welche als Vertreterin derLogik und Kon­sequenz in politischen Dingen" durchaus an- nexionistisch gesinnt ist. Das vorliegende Buch kennzeichnet sich als Schutzschrift des Protecto- ! rats und der Männer, die dasselbe auf Tune­sien angewendet haben (Ferry, Cambon, Massi- ^ cault), indem es die schweren Nachtheile und ^ Zeitverluste, welche mit der Annexion Algeriens ! und den in diesem Lande versuchten admini- ^ strativen Experimenten verbunden gewesen waren,

^ zu den raschen, wohlseil errungenen Erfolgen ' des in Tunesien befolgten Systems in Gegen- z satz stellt. Der Natur der Sache nach geht es ! dabei ohne einzelne Schönsärbungen nicht ab; j in der Hauptsache behält der ungenannte Ver- > fasser dagegen unzweifelhaft Recht, wenn er be- ! hauptet, die Aufrechterhaltung der Autorität ! des Bey und der überkommenen Landes-Orga- ' nisation Tunesiens habe sich vortheilhaft bewährt»

! den Betheiligten (Franzosen, Berbern und Ara- ^ bern) die Eingewöhnung in die neuen Verhält- i nisse wesentlich erleichtert und unerwartet gün­stige Resultate erzielt. Die von der finanziellen,

! wirthschaftlichen und militärischen Lage Tune- ^ siens handelnden letzten Abschnitte (hundertund- fünfzig Seiten des einunddreißig Bogen starken ! Werks) verdienen besondere Berücksichtigung, weil sie eine Zusammenfassung sonst verstreut publicirter Daten und Aktenstücke enthalten.