Dieser kurze historische Exkurs zeigt, daß es zwar Gemeinsamkeiten hinsichtlich der Notwendigkeit von Freiarbeit gibt, aber auch sehr unterschiedliche Auffassungen zur Realisierung. Die Frage nach dem Warum freier Arbeit in der Schule von heute, wird in der einschlägigen Literatur aus verschiedenen Begründungszusammenhängen heraus beantwortet. Folgende Begründungen mögen zum Nachdenken anregen:
e Erkenntnisse aus der Lernpsychologie verweisen darauf, daß das Lernen nicht als passiver Nachvollzug fremder Gedanken zu verstehen ist, sondern als aktive Erzeugung eigener Sinnstrukturen. Aus dieser Einheit von Denken und Handeln leitet sich die pädagogische Forderung nach handlungsorientiertem Lernen in möglichst offenen Situationen ab.
e Die veränderten Lebensbedingungen der Kinder, die sich festmachen lassen an Veränderungen im demographischen Bereich, in der gegenständlichen Austattung von Kindheit, im Raumerleben sowie im Umgang mit dem Fernsehen bleiben nicht ohne Konsequenzen für die Entwicklung der Psychomotorik, dem Aufbau kognitiver Strukturen und für die psychosoziale Entwicklung. Auf diese Zusammenhänge haben Rolff und Zimmermann bereits 1985 aufmerksam gemacht(vgl. Rolff/Zimmermann 1985).
Der damit oftmals verbundene Verlust an Primärerfahrung einerseits und
die Zunahme von Fremdbestimmung durch die Verlockungen der hoch
technisierten Welt darf sich in der Schule nicht fortsetzen. Deshalb sollten wir weniger auf das Konsumieren von Resultaten setzen, sondern
Eigentätigkeit und Unmittelbarkeit in freier Arbeit fördern.
e Aus dem Letztgenannten resultiert u.a. auch die zunehmende entwicklungs- und erfahrungsbedingte Unterschiedlichkeit der Schülerinnen und Schüler in altershomogenen Gruppen. Ohne Individualisierung und Differenzierung können wir dem Einzelnen nicht mehr gerecht werden. Außerdem sei darauf aufmerksam gemacht, daß gerade in den Klassenstufen 5 und 6 die entwicklungspsychologische Situation der Kinder nach eigeninitiativem Handeln drängt. Gerade sie benötigen Gelegenheiten selbstbestimmten und selbstverantworteten Lernens(vgl. FelgerPärsch in diesem Bd.).
Freies Arbeiten fängt bei mir selber an!
Ein freies Arbeiten von Schülern, wie es zahlreiche Erfahrungsberichte und Videos oft schillernd darstellen, ist nicht voraussetzungslos zu haben. Freie Arbeit, verstanden als
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