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Lernen in den Klassen 5 und 6 : Werkstattheft / [Universität Potsdam. Hrsg.: Direktorium des Instituts für Grundschulpädagogik]. Wiss. Red.: Barbara Wegner
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weigerung.

Nur Junglehrer am Beginn der Berufslaufbahn, Lehrer also, in deren Be­wußtsein die theoretischen Überformungen der Ausbildung noch unmittel­bar nachwirken, sind geneigt, auch den Lehrer in den Kreis der Verursacher aufzunehmen, routinierte Lehrer hingegen sprechen sich von aller Mitschuld an Unterrichtsstörungen frei.

Daß eine durch den Schüler ausgelöste"Störung", egal gegen wen sie ge­richtet ist, auch etwas Positives, also für das Unterrichtsgeschehen Förderli­ches sein kann, wird von den meisten befragten Lehrern nicht assoziiert. Auch die Phänomene, daß Unterrichtsstörungen den Lehrer zum Nach­denken anregen, daß sie den Unterricht beleben und ihn inspirieren, wird generell nicht in Betracht gezgen.

"Störende" Verhaltensweisen seitens des Schülers bedürfen nicht in erster Linie spontaner Strafen oder negative Sanktionen durch die Lehrkraft, was aber gleichzeitig als dominante Handlungsalternative von den Lehrern in der Studie angegeben wurde. Lehrer geben eindeutig zu, daß sie sich nicht lange Gedanken über ihre Reaktionsmöglichkeiten machen und relativ rigi­de an ihren Reaktionsalternativen festhalten. Also geht es in der Praxis häu­fig darum, die Störung im Unterricht sofort zu beseitigen und nicht um eine Reflexion der Problemkonstellation, wie z. B. die Reflektierung der zwi­schenmenschlichen Beziehungen. Allerdings hat sich gerade in Gesprächen mit Lehrern gezeigt, daß sie in den Klassen 5 und 6 mit ihren eingeleiteten Maßnahmen im Unterricht oft unzufrieden sind und vorschnell die Störun­gen des Schülers als Provokation ansehen. Häufig denken Lehrer erst nach ihrer spontanen verbalen Reaktion bzw. nach ihrer entsprechend inadäquat eingeleiteten Maßnahme über eine Fehlinterpretation ihrerseits zum Schü­lerverhalten nach.

Lehrkräften signalisieren bei Fortbildungsveranstaltungen vor allem, daß sie ihre eigene Diagnosekompetenzen erhöhen wollen, um gleichzeitig ef­fektiver und angemessener in bezug auf Möglichkeiten der Vermeidung und Überwindung solcher Störungen handeln zu können.

Einige Überlegungen, die man ihnen diesbezüglich mit auf den Weg geben könnte, sind folgende:

1. Der Lehrer sollte die Störung nicht übersehen und mit aller Macht be­kämpfen, sondern er soll sie aufnehmen, genau hinhören und siever­stehen lernen.

2. Man sollte von der individuellen Verhaltensweise des Schülers weggehen und entsprechende Störungsbilder nicht immer auf sich beziehen d. h. auch weg von der Interpretation, der Schüler unterbricht meinen Unter­richt, der Schüler will mich auf die Palme bringen ect..

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