Schreiben treten jedoch durch veränderte Lernbedingungen in den höheren Klassenstufen(neue Fächer, neue Lehrer/innen, erhöhter Leistungsdruck von Eltern und Lehrern im Zusammenhang mit der bevorstehenden Entscheidung über die weiterführende Schule,...) wieder auf. Schließlich berichten Lehrer/innen über eine dritte Gruppe: Schüler/innen, die in den ersten vier Schuljahren aufgrund günstiger Lernbedingungen und Voraussetzungen(hohe Motivation, schnelle Auffassungsfähigkeit, viel Übung, Unterstützung im Elternhaus und im Hort, gute Merkfähigkeit, fördernder Unterricht) nie auffällig waren. Angesichts der veränderten Anforderungsstruktur bekommen sie nun aber Schwierigkeiten.
Lese- und Rechtschreibschwierigkeiten sind wegen der Schlüsselfunktion, schriftsprachlicher Bildung in unserer Gesellschaft nicht vergleichbar mit Problemen in anderen Fächern: Das Mißlingen des Lese- und Schreiblernprozesses beeinträchtigt die gesamte Schullaufbahn und oft auch den späteren Lebenserfolg. Nicht selten bewirken Lese- und/oder Rechtschreibschwierigkeiten, die anfangs isoliert auftraten, ein umfangreicheres Schulversagen und beeinträchtigen Leistungen in anderen Fächern und Lernbereichen(z.B. im Sachunterricht, in Biologie, Erdkunde, Mathematik, Geschichte, in den Fremdsprachen). Die Erfahrung von Mißerfolgen und Sanktionen in und durch Schule steht in einer Wechselwirkung mit psychischen Problemen. Eine Untersuchung der Verhaltens- und Persönlichkeitsauffälligkeiten von Schülerinnen und Schülern 5. und 6. Klassen mit Lese-Rechtschreibschwäche ergab folgende Beeinträchtigungshierarchie(vgl. Büttner 1981):
flüchtiger, oberflächlicher, impulsiver, unüberlegter Arbeitsstil
mäßige Störungen der Konzentration
— Störungen der Motivation bei Schularbeiten
starke Störungen der Konzentration
erhöhte Nervosität, Unruhe
psychische Verunsicherung, Angstgefühle
— Resignation, Aufgeben
— psychosomatische Störungen(Bauchschmerzen, Schlafstörungen, Tics usw.)
— Verweigerung der Arbeit
— Aggressivität bei der Schularbeit
Die von Büttner vor 18 Jahren ermittelten Auffälligkeiten wurden von den Lehrerinnen und Lehrern auch für heute noch als aktuell befunden. Aber was ist in 5. und 6. Klassen überhaupt noch an pädagogischtherapeutischen Maßnahmen möglich? Einige interessante Ergebnisse der
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