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Lernen in den Klassen 5 und 6 : Werkstattheft / [Universität Potsdam. Hrsg.: Direktorium des Instituts für Grundschulpädagogik]. Wiss. Red.: Barbara Wegner
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senen Innovationen im Bildungswesen zu entscheiden. Der Bildungsge­samtplan, die Vorschläge für die Durchführung vordringlicher Maßnah­men und ein Zwischenbericht sind aus dieser Arbeit hervorgegangen.

Während man sich in der BLK noch weitgehend über die Ziele und all­gemeinen Grundsätze einer allseits für erforderlich gehaltenen Reform der Schule verständigen konnte, brachen die nie überwundenen bildungspoliti­schen Gegensätze bei der Frage nach den dafür geeigneten Organisations­formen erneut wieder auf. Dabei stand unumgänglich die Orientierungsstu­fe im Brennpunkt der Auseinandersetzung, weil sie doch vom Deutschen Bildungsrat als notwendiger erster Schritt einer Gesamtreform des Schul­wesens betrachtet wurde. Um dem zuvorzukommen, brachten die unions­regierten Bundesländer bereits in den Zwischenbericht ein besonderes Votum mit dem folgenden Wortlaut ein:

Bei grundsätzlichem Einverständnis über ein einheitliches curriculares Angebot liegt zur organisatorischen Ausgestaltung der Orientierungsstufe einBesonderes Votum des Inhaltes vor, daß die Orientierungsstufe auch schulformabhängig eingerichtet werden kann.'°(Das heißt: Die Klassen 5 und 6 werden als Zweijahresblock jeweils bei der Haupt-, der Realschule und dem Gymnasium geführt.)

Hinter dieser Intervention steckte viel mehr als lediglich die Zulassung einer alternativen Organisationsform für die Orientierungsstufe. Mit ihr sollte die Einführung der integrierten Gesamtschule auf breiter Front ver­hindert werden, was übrigens auch gelang.

Das Einbringen des Besonderen Votums bedeutete schon ein Jahr nach Vorlage der Orientierungsstufenkonzeption des Deutschen Bildungsrates die Aufkündigung des mühsam hergestellten Konsenses. Im Grunde war damit die Idee der Orientierungsstufe als Gesamtentwurf für das Schulwe­sen in den alten Bundesländern schon gescheitert, noch ehe die erste Ori­entierungsstufe ihre Arbeit aufgenommen hatte. Um die anspruchsvollen inhaltlichen Zielsetzungen und Zweckbestimmungen realisieren zu kön­nen, bedurfte es nun einmal eines entsprechenden Organisationstyps: der schulfomunabhängigen(integrierten) Orientierungsstufe- und diese Vor­aussetzung war nicht mehr uneingeschränkt gegeben.

Besonders gravierend war demzufolge der auf das Besondere Votum zu­rückgehende Beschluß der Kultusministerkonferenz!, weiterhin an selek­tiven Laufbahnentscheidungen am Ende der 4. Klasse der Grundschule trotz Einführung von Orientierungsstufen festhalten zu wollen.

In dieser Phase wurde der Begriff Orientierungsstufe zum Sammelna­men für unterschiedliche schulpolitische Intentionen und pädagogische Standpunkte. Die Chance zur Vereinheitlichung des Schulwesens wurde gründlich verpaßt. Bis heute hält dieser Zustand an. Daß im Zuge der Neu­

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