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Lernen in den Klassen 5 und 6 : Werkstattheft / [Universität Potsdam. Hrsg.: Direktorium des Instituts für Grundschulpädagogik]. Wiss. Red.: Barbara Wegner
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gige Orientierungsstufe einzurichten. Ebenso war es pädagogisch sinnvoll, die neuen Regelformen des Sekundarbereichs I mit einer gemeinsamen Eingangsphase alsFörderstufe beginnen zu lassen, um vor allem den Schüler/-innen als sozial schwächeren und bildungsferneren Bevölke­rungsschichten ein umfassenderes Hilfs- und Stützangebot machen zu können. Interessant ist auch, daß die drei Länder, die so verfahren, nicht von einer Orientierungsstufe sprechen, sondern entweder vonPhase der Orientierung oder vondifferenzierter Förderstufe. Ob diese ihre Aufga­ben auch noch auf die Anforderungen des abgekoppelten Gymnasiums ausrichten oder hauptsächlich das Augenmerk auf die nachfolgenden Bil­dungsgänge imeigenen Hause lenken, werden die Übergangszahlen nach der 5. und/oder 6. Jahrgangsstufe zum Gymnasium in den nächsten Jahren zeigen.

Aufgrund der wissenschaftlichen Erkenntnisse und praktischen Erfah­rungen mit der schulformunabhängigen Orientierungsstufe vor allem in Bremen und in Niedersachsen' und denen mit der hessischen Förderstufe ist es völlig unverständlich, warum nicht das Land Mecklenburg­Vorpommern den anderen Bundesländern gefolgt ist und ebenso eine ge­meinsame Förderphase mit den Klassen 5 und 6 als Unterbau von Haupt­und Realschule eingeführt hat. Dies wäre ein guter Schritt wenigstens zur Vereinheitlichung des Schulwesens in den neuen Ländern gewesen. Au­ßBerdem stellt die schulformabhängige Orientierungsstufe die mit Abstand ungünstigste Form des Übergangs zu den weiterführenden Schulformen dar, weil die Selektionsmaßnahmen größtenteils bei der(viel zu kurzen) vierJährigen Grundschule verbleiben. Dies führt zu einer unnötigen emo­tionalen Belastung des Lernklimas und zu einem nicht vertretbaren psychi­schen Druck auf die Lehrer/-innen und Schüler/-innen.

Auch wenn es zweifelsfrei gut ist, daß die Klassen 5 und 6 in einem be­sonders hohen Maße unter das Postulat zur optimalen Förderung gestellt werden, gilt es doch zu fragen, warum überhaupt diese Phase in dieser or­ganisatorischen und curricular-inhaltlichen Form bestehen muß, wenn schon vorher eine Schule durchlaufen wurde, die alles darauf abgestellt hatte, Kinder bestmöglich zu fördern und in deren(Lern-)Entwicklung voranzubringen. Gemeint ist die vierjährige Grundschule, die über die in­nere Differenzierung versucht, konsequent der Forderung nach optimaler Förderung im Sinne einer individuellen Persönlichkeitsentfaltung in Ge­meinschaft mit anderen gerecht zu werden. Jedoch braucht Lernen Zeit, viel Zeit! Aufgrund der radikalen Umbrüche und Verwerfungen im fami­lialen und im gesellschaftlichen Leben der heutigen Kinder benötigt vor allem die Grundschule mehr Zeit als früher, und zwar für alle Schüler/­innen! Dies vor allem auch deshalb, um nicht Kinder dieses Alters ge­

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