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Der Weg meines Lebens : Erinnerungen eines ehemaligen Chassiden / von Josef R. Ehrlich ; mit einem Vorworte von Josef Weilen
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ſchen Gewirre ein eigenthümlicher Gedankengang hervor, manchen tiefpſychologiſche Wendung, ja ſogar ein echt dramatiſcher Impuls machte ſich da und dort fühlbar. Ich ſagte ihm

unverhohlen meine Meinung, und forderte ihn auf, den Jacob

Böhme, der ihn in ſeinem Denken verwirren, und ſprachlich auf Abwege leiten müſſe, aufzugeben, dafür aber ſtyliſtiſche und hiſtoriſche Studien zu machen.

Ueber dieſen meinen Rath ſchien er jedoch ungehalten zu ſein.Was des Wiſſens werth iſt, meinte erfinde ich in meinem Böhme, und was der Kunſt werth iſt, trage ich in mir. Ich werde Ihnen demnächſt ein Drama überreichen, das im Geiſte dieſes univerſellen, göttlichen Denkers gedichtet, eine neue Epoche der Literatur eröffnen joll. Dieſes Wort ließ mich einen näheren Einblick in ſein Weſen thun; ich erwiederte ihm nichts, und ſah geſpannt ſeiner mir verheißenen Arbeit entgegen.

Nach einigen Wochen legte er zwei Acte eines Stückes in meine Hand, welches den TitelJacobo Ortis trug.

Ich las es, und mir ſchwindelte, indem ich es las. Witz und Aberwitz, Tiefſinn und Unſinn, ſprachliche Kraft und un verſtändliche Redeweiſen bunt durcheinander. Scheu und aufge­regt erſchien nach einigen Tagen der junge Poet, um mein Urtheil zu vernehmen. So ängſtlich blickte er in mein Ge ſicht, als ob die Entſcheidung ſeines Lebensſchickſals von meinem Ausſpruche abhinge. In der mildeſten Form ſagte ich ihm, daß ich die beiden Acte geleſen, über ſie aber kein Urtheil abgeben könne, da ich ſie nicht verſtanden. Nie werde ich den Ausdruck des Entſetzens vergeſſen, mit dem er mich anſtarrte. Doch bald übermannte Wehmuth ſein ganzes Weſen, Thränen kamen ihm in die Augen, und ohne mir weiter ein Wort zu ſagen, wendete er ſich weg, und ging wie zerſchmettert zur Thüre hinaus. Tags darauf kam er jedoch wieder, friſch,