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Der Weg meines Lebens : Erinnerungen eines ehemaligen Chassiden / von Josef R. Ehrlich ; mit einem Vorworte von Josef Weilen
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hin, wo ich mich zwiſchen vierzehn⸗ und fünfzehnjährigen Jünglingen niederließ. Alſo begann er uns das erſte Blatt der Fibel vorzuleſen und wir merkten verſtändig und faßten es ſchnell. Da er ſah, wie wenig Schwierigkeiten ihm der Leſe⸗Unterricht darbieten werde, ſo ſuchte er den größern Theil der Zeit auf jenen Unterricht zu verwenden, der ihm zumeiſt am Herzen lag, nämlich, die Anleitung zum Selbſtdenken. Während er ſich ſo mit uns über verſchiedene Dinge beſprochen hatte, fragte er einen der Schüler, wie hoch wol das Alter des Menſchen ſei, das er durchſchnittlich erreichen könne und dieſer antwortete: ſiebzig bis achtzig Jahre.Nein, nicht jo! fiel ich gleich darauf ein. Ben Zion Barat, indem er mich zuvor über die vorlaute Art meines Benehmens aufmerkſam ge­macht hatte, befragte mich über mein beſſeres Gutdünken. So ſtürzte ich denn ſchnell mit der Antwort hervor und ſprach: Des Menſchen Alter ſind ſiebzig Jahre, wenn es hoch kommt achtzig und dann erſt ſind alle ſeine Werke eitel und nichtig. Hierauf erwiderte er lächelnd die weislichen Worte:Siehſt du, Ehrlich, dieſer Schüler hat beſſer geſprochen als du, denn er brachte das vor, was er ſich ſelber dachte und der Er­fahrung entnommen hatte, du aber ſagteſt mir etwas, was du aus den Gebeten ſchon längſt auswendig gelernt haſt. Dafür kann ich dich nicht beloben, ſo wenig ich dieſe Tafel beloben könnte, wenn dieſer Satz zufällig an ihr geſchrieben ſtünde. Trachte du vielmehr, aus deiner eigenen Ueber­zeugung zu antworten, aus dem, was du ſelber denkſt und fühlſt im Innern deines Gemüthes. Wenn es gut iſt und ich dich dafür nicht belohne, fo nenne mich einen ſchlechten Men­ſchen.! Dieſer fein Tadel traf mich jedoch nicht derart, daß ich darüber mißmuthig geworden wäre, ich fühlte mich nur angeſpannt, das, was er wollte, in Erfüllung zu bringen, um­ſomehr, da ich mein Selbſt nicht in den Verdacht einer