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Der Weg meines Lebens : Erinnerungen eines ehemaligen Chassiden / von Josef R. Ehrlich ; mit einem Vorworte von Josef Weilen
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meines Herzens in Uebermuth um und anſtatt, daß ich, ge­mäß den weiſen Rathſchlägen meines Lehrers, in mich hätte gehen ſollen, ſann ich vielmehr auf irgend einen trotzenden Streich, der den Chaſſidim zu tiefem Aergerniß gereichen ſollte. Mit ſchadenfroher Haſt eilte ich zum Director der Schule, kaufte eine große Univerſalkarte und ging mit pochendem Herzen ins Bethaus der Jolles. Einige abgehärmte Chaſſi­dim ſaßen daſelbſt im Talmud vertieft und kümmerten ſich wenig um Kommende oder Gehende. So wand ich mich denn zwiſchen die Ständer und Bänke geheimnißvoll hindurch, hielt die Karte unter meiner Kutte und als ich an der Süd­ſeite(Myſrach) des Saales angelangt war, entrollte ich fie raſch, heftete ſie an die Wand nicht weit von der Bundes­lade und verließ triumphirend das Bethaus.

So gegen Abend ſtahl ich mich hinauf ins Gemach, wo die Frauen des Morgens ſich zum Beten zu verſammeln

pflegen, und lugte durch einen der Vorhänge in die Räume der Männer⸗Verſammlung hinunter, ſah auch die ſchön ge­rundeten Kreiſe der beiden Hemiſphären und wartete ſtill des baldigen Auftritts.

Als die Chaſſidim ſammt Samuel zum Beten ſich ver­ſammelt hatten und auch die Lichter bereits angezündet waren, da bemerkte ein hitziger Jüngling die Himmel und Erde tragende Karte und ſchlug furchtbaren Lärm. Größer wurde das Aufſehen, immer dichter das Gedränge um die Bundes lade und entſetzt kehrten ſich bald die Augen aller von dem, was ſie dort an der Wand geſehen. Sofort beſtürmten ſie den fernſitzenden Samuel und der Strom der erregten Chaſ­ſidim brauſte hinan; denn wohl erkannten ſie gleich, daß dieſe Entheiligung des Hauſes keines Andern Werk ſei als meines.