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Der Weg meines Lebens : Erinnerungen eines ehemaligen Chassiden / von Josef R. Ehrlich ; mit einem Vorworte von Josef Weilen
Entstehung
Seite
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Beluſtigung als ſie mich in den Frauenkleidern erblickten. Die Eine rief:Schöne Kohlenhändlerin, wie theuer verkauft ihr das Pfund? Eine andere wieder:Schöne Jungfer, warum ſo ganz ohne Haube, Schürze und Schleier? Darauf ergriff ich die langen Backofen⸗Geräthe, vier an der Zahl und fuhr allen damit über die Köpfe. Schnell liefen ſie zur Thüre herein und ſchlugen ſie zu. Alſo ſtand ich mit den gepflanzten Schaufeln und Scharten gegen dieſelbe gekehrt und bewachte den Ausgang. Indeß kam die Mutter mit Kutten, Weſten, Hoſen und Stiefeln die Hände voll, wieder die Stiegen herab und ſprach zu ſich ſelbſt:O ich werde es mir ſchon entgelten laſſen. Dieſer rohe Soldat und Schuſter muß mit mir vor einen Dajen(Richter), er hat mein Kind öffentlich entehrt. Sachte ſtellte ich die Backofen⸗Geräthe bei Seite, lief der Mutter ent­gegen, und bat ſie die Thür zu bewachen; ſie that es und im Nu war ich von Kopf bis zur Zehe männlich friſch ge­kleidet. Wie auf Flügeln enteilte ich mit pochendem Herzen zur freien Luft empor und vergaß ſelbſt der Mutter noch­mals zu danken.

Als ich jedoch in den lichten Hofraum gelangt war, fühlte ich mich ſo eingeſchüchtert vor der Fülle des Tageslichtes, daß ich förmlich Scheu hatte aus demſelben zu treten. Ich glaubte mich noch nicht in Kleidern. Endlich ermuthigte ich mich und kam auf die Straße. Aber auch hier vermochte ich nicht meine Augen frei zu erheben und entgegenkommenden Menſchen ins Angeſicht zu ſehen. So mied ich denn die offene Straße und ging in mich verſenkt über entlegene Plätze, ich wußte ſelbſt nicht, wohin. Aufgelöſt in ſchüchterner Demuth, ſehnte ich mich ſehr nach einſchließender Einſamkeit. Und als ich außerhalb der Stadt auf die herbſtlichen Wieſen ge­kommen, konnte mein Geiſt die Weite derſelben gar nicht er­tragen und ich erſtrebte deſto begierlicher die dunklen Gebüſche