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Der Weg meines Lebens : Erinnerungen eines ehemaligen Chassiden / von Josef R. Ehrlich ; mit einem Vorworte von Josef Weilen
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die Stadt, Rabbinen fuhren aus und ein und ſegneten, was ſie ſegnen konnten. Stürmiſcher als je wurde gebetet und mit ausgeſuchten Pſalmen ſtrebte man das nahende Unglück ſammt dem Kometen hinwegzubeſchwören. Dieſe Erregtheit in der Stadt ſchwellte höher meinen Geiſt, ich machte die Runde durch die engern Gaſſen, die Neſter chaſſidiſcher Ausgeburten und es erklang in mir ein Lied.

Aus tauſend kleinen Pünktchen Beſteht die Körperwelt, Aus tauſend kleinen Fünkchen Beſteht die Geiſterwelt.

Und Alles wallt in Wonne Nach Einem Machtgebot,

Die Einen um die Sonne,

Die Andern um dich, Gott!

Ach, wie jauchzte meine Seele inmitten dieſes aber­

gläubiſchen Volkes! Wie ſchätzte ich mich glücklich der läh­menden Macht des Wahnes entronnen zu ſein! Aber weit entfernt über die Beſinnungsloſen höhniſch zu lachen, pries ich nur im Stillen meinen Gott, daß er mich erlöſte und bedauerte von Herzen, daß ich allein nur, gleichſam wie ein Auserwählter, einherſchreite.

Als ich meinen Rückweg nach Hauſe genommen hatte, begegnete ich Samuel. Ich blieb ſtehen, er ebenfalls. Stumm ſah er mich an, dieweil ich an der Erde, gleichſam ausweichend, hinwegblickte. Ich wollte weiter gehen, er aber trat mir in den Weg und ſprach:Joſchul fo ganz unwürdig eines Grußes hältſt du mich? Habe ich wenig um dich ge litten? Einſt glaubte ich, du werdeſt mein ſchweres Alter

Hier wendete er ſich ab und ich erhob meine Augen, ſah ihn gerührt an und ſprach:Ich kann dich auch