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Der Weg meines Lebens : Erinnerungen eines ehemaligen Chassiden / von Josef R. Ehrlich ; mit einem Vorworte von Josef Weilen
Entstehung
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126
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ſehnlichſt, als einen Auszug in die unendlichen Fernen des Südens, der fo geheimnißvoll hinter den Wäldern des Ge­ſichtskreiſes meine Seele nach ſich zog.

Noch einmal hatte der Mond zwölfmal die Erde umkreiſet und noch immer lag ich auf der Erde neben dem Schrank, oder ſaß am ziſchenden Heerd' in der Küche, wartend auf die Reſte der Tafel. Aber der, nach deſſen ewigen Geſetzen alles auf Erden ſich wandelt, es ſei Glück oder Unglück, hatte auch in mein Leben den Wechſel gepflanzt und es änderte ſich meine Lage. ö

In unſerer Nachbarſchaft wohnte ein bildhübſches Mädchen Namens Henriette Balter; ſie war die Tochter des vielgereiſten Kaufmanns Samuel Balter und dieſer gab ihr eine Erziehung, wie man ſie in Deutſchland den Töchtern überhaupt ertheilt; er ließ fie die Löwenberg 'ſche Penſion beſuchen, hielt ihr auch eine Klavier-Lehrerin und um ſein väterliches Werk tadellos zu vollenden, wollte er ſie auch in der jüdiſchen Kurrentſchrift unterrichten laſſen. Samuel aber hatte außerdem die gute Eigenſchaft, daß er Jünglingen gern predigte, denn er war beredt, überaus leutſelig und wo es galt, auch herablaſſend. In ſeinen Geſprächen hielt er beſtändig das Kleinſtädtiſche dem Großſtädtiſchen und dieſes jenem entgegen. Stieß er auf einen unternehmungsbollen, jungen Menſchen, ſo rückte er deſſen Ziel in diegroße Welt hinaus, führte eine Menge Beiſpiele carrièrmachender Talente an und ſpannte um ſo ſtärker die Triebfedern der Beſtrebungen. Dieſer ſeltſame Mann hatte zu öftern Malen die Gelegenheit auch mit mir zu ſprechen, denn da er in dem angrenzenden Hauſe des Her­melin wohnte, ſo war er mit deſſen Familie ſehr befreundet und lernte mich ſo kennen. Ich flößte ihm, ich weiß nicht aus welchem Grunde, eine Art von Achtung ein. Während die andern, ſo oft ſie über mich zu ſprechen kamen, nur ge­