wird zum Souper gegangen. Es handelt sich darum, wer die Dame vom Hause zu Tisch führen und ihr später zur Rechten und Linken sitzen wird. Ich glaube, der Unterstaatssekretär oder der Generalsuperintendent wird die Dame führen und an ihrer rechten Seite sitzen, der älteste Ministerialdirektor zur Linken, ein anderer vis-ä-vis: in einiger Entfernung würde Heyse kommen. Warum? Soweit ich die Personen kenne, ist ihnen Heyse sämtlich überlegen, sogar sehr bedeutend; er gehört der Literaturgeschichte an, seine Werke sind in ein halb Dutzend Sprachen übersetzt, er ist um die ganze Erde herum bekannt - dennoch rückt er in die zweite Linie. Woran liegt das? Ich will nicht behaupten, daß es nicht einen Unterstaatssekretär oder Ministerialdirektor gäbe, der einem Dichter überlegen wäre oder wenigstens überlegen sein könnte, bis zu diesem Tag aber ist mir ein solcher noch nicht vorgestellt worden oder ich ihm. Es gibt keine andere Erklärung, als man hat keine rechte Achtung vor dem, was ein Dichter vertritt. Kunst ist Spielerei, ist Seiltanzen.
Man werfe mir nicht vor, daß ich aus persönlichem Engagiertsein, aus Fachgenossenschaft heraus dem Dichter- und Künstlertum eine besonders erhabene, eine exzeptionelle Stellung anweisen möchte; nur eine gerechte möchte ich ihm anweisen. Wer sich im staatlichen und bürgerlichen Leben wirklich auszeichnet, wer seinem Volk in Wahrheit ein Retter und Rater ist, wer es durch Entdeckungen und Erfindungen beglückt, dem weis ich einen höchsten Rang an, und die Dichter und Künstler - nur die über alle Völker hin verteilten etwa sechs, höchstens zehn Namen machen eine Ausnahme (bekannte große Männer von Dante bis Goethe ausgenommen) - haben hinter diese praktischen Förderer des Generis humani zurückzutreten. Es kann einer so herrlich dichten, wie er will: er wird klein neben denen, die den großen Gedanken der Glaubens- und Gewissensfreiheit durchfechten. Er verschwindet vor allem auch neben denen, die durch Dampf, Lichtbild und elektrische Leitung die Welt umgestaltet haben, ebenso hinter jenen, die dem Gesetz ein neues Leben einhauchen, die Staaten aufbauen und Sedanschlachten schlagen. Ja, ich gehe weiter und räume selbst allen denen einen Vorrang ein, auf die nur ein Abglanz jener Herrlichkeit gefallen ist. Es ist nicht nötig, Moltke zu sein, es genügt, Goeben zu sein, und es ist nicht nötig, Goeben zu sein, es genügt, als einfacher Batteriechef die Batterie kommandiert zu haben, die bei Vionville in Erkenntnis der Situation und voll Todesverachtung in die Front fuhr und der fast schon durchbrochenen Linie neuen Halt und neue Widerstandskraft gab. Auch das bloße Glück (denn was glückte ohne Glück?) soll dabei angerechnet und nicht lange gefeilscht werden: Verdienst oder Glück? Aber wenigstens dies Glück muß ich fordern. Fehlt das, tritt der Durchschnitt, das Landläufige an die Stelle, so weiß ich nicht, worauf sich die Bevorzugung einer in Diensten stehenden oder einer vorgeschriebenen oder einer unfreien Tätigkeit vor einer freien stützen, wodurch sie sich rechtfertigen will.