Heft 
(1891) 67
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Deutsche Rundschau.

der Ton, den diese Wolkenmassen der Landschaft gaben, ließen den Reiz derselben nur um so größer erscheinen, und als man den Fure-See, der etwa halber Weg war, an seinem Ufer hin passirte, hob sich Ebba von ihrem Sitz und konnte sich nicht satt sehen an der stahlfarbenen leisgekräuselten Fläche, die die drüberhin fliegenden Möven mit ihren Flügeln fast berührten. Das User stand in dichtem und weit in den See hineinwachsenden Schilf, und nur dann und wann kamen Weiden, deren blätterlose Zweige bis tief herabhingen. An der andern Seite des Sees aber zog sich ein dunkler Waldstrich, drüber ein Kirchthnrm aufragte. Dazu tiefe Stille, nur unterbrochen, wenn aus dem Walde ein vereinzelter Schuß fiel oder das Gerassel des auf tausend Schritt Entfernung vorüberfahrenden Eisenbahnzuges hörbar wurde.

Ebba machte diese Fahrt zum ersten Mal.Ich kenne den Süden nicht," sagte sie,aber er kann nicht schöner sein, als das hier. Alles wirkt so geheim- nißvoll, als berge jeder Fußbreit Erde eine Geschichte oder ein Geheimniß. Alles ist wie Opferstätte, gewesene, oder vielleicht auch noch gegenwärtige, und die Wolken, die so grotesk drüber hinzieh'n, es ist, als wüßten sie von dem Allen."

Die Prinzessin lachte.Daß ich ein so romantisches Fräulein um mich habe! Wer hätte das gedacht; meine gute Rosenberg mit ossianischen Anwand­lungen! Oder, um ein Wortspiel zu wagen, meine Ebba auf Edda-Wegen."

Ebba lächelte, weil sie sich in ihrer romantischen Rolle selber ein wenig fremd Vorkommen mochte; die Prinzessin aber fuhr fort:Und das Alles schon Angesichts dieses Fure-Sees, der doch eigentlich nur ein See ist wie hundert andre; was steht uns da noch bevor, wenn wir erst in Fredericksborg an unserem Reiseziel sein werden, den Esrom-See zur Rechten und den Arre-See zur Linken, den großen Arre-See, der schon Verbindung hat mit dem Kattegat und dem Meer. Und er friert auch nie zu, die Schmalnngen und die Buchten abgerechnet. Aber was spreche ich von den Seen, die Hauptsache bleibt doch immer das Schloß selbst, mein liebes, altes Fredericksborg, mit seinen Giebeln und Thürmen und seinen hundert Wunderlichkeiten an jedem Tragstein und Capitell. Und wo sich andre Schlösser mit einem einfachen Abzugsrohr begnügen, da springt in Fredcricks- borg die Dachrinne zehn Fuß weit vor, und an ihrem Ausgange sitzt ein Basilisk mit drei Eisenstäben im weitgeöffneten Rachen, und an den Stäben vorbei schießt das Wasser auf den Schloßhos. Und wenn dann das Wetter wechselt und der Vollmond blank und grell darüber steht und Alles so unheimlich still ist und das ganze höllische Gethier aus allen Ecken und Vorsprüngen einen anstarrt, als ob es bloß aus seine Zeit warte, da kann einem schon ein Grusel kommen. Aber dieser Grusel ist es gerade, der mir das Schloß so lieb macht."

Ich dachte, Fredericksborg wäre eins von denguten Schlössern," ein Schloß ohne Spuk und Gespenster, weil ohne Blut und Mord und vielleicht überhaupt ohne große Schuld und Sünde."

Nein, da hoffst Du mehr, als Dir mein schönes Fredericksborg erfüllen kann. Ohne Blut und Mord, das möchte sein. Aber ohne Schuld und Sünde! Meine liebe Ebba, was lebt zweihundert Jahr ohne Schuld und Sünde! Mir