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Deutsche Rundschau.
bewußt Beobachtungen und Berechnungen des Erfolges und seiner Bedingungen gehören, durch die es so geordnet wird.
Wenn wir einfach gerade aufrecht dastehen, so haben wir für den Augenblick eigentlich gar keine Absicht, etwas zu erreichen oder zu thun; wir haben nur nicht die Absicht, uns vom Flecke zu rühren oder es uns bequem zu machen, indem wir uns niedersetzen oder hinlegen. Wir bleiben eben bis aus Weiteres so dastehen, wie wir uns zuvor da hingestellt haben. Und doch sind dabei jedenfalls die körperlichen Organe, mit deren bewegender Thätigkeit wir es zu dieser Lage unseres Körpers im Raume gebracht haben, durchaus nicht ganz nnthätig geworden, wie man schon daraus schließen kann, daß das Stehen aus die Dauer eine ermüdende Anstrengung ist. Es wird freilich mit dieser anhaltenden Anstrengung der Organe zur Zeit kein in die Augen fallender Bewegungserfolg erzielt, sondern nur das Verlassen der gegebenen Lage verhindert, und kleine Veränderungen, Schwankungen oder Abwechselungen derselben finden doch auch beständig daneben Statt.
Wäre unser Körper, in der Gestalt, die er momentan beim Aufrechtdastehen hat, eine starre feste Masse, wie eine Statue aus einem Stück Stein, Holz oder Bronce, so würde er auch so aufrecht stehen bleiben, sobald nur einmal und solange nur die Grundvoraussetzung dazu erfüllt wäre, die, wie bei jedem Tische oder Stuhle darin besteht, daß der Schwerpunkt der Masse noch über der Boden- släche liegt, die von den Füßen eingeschlossen ist, und um dies sicherzustellen, ist zunächst keine Arbeit nöthig. Dasselbe wäre der Fall, wenn er wie eine Mauer oder ein Gewölbe aus Stücken bestände, die breit aufeinanderliegen und ebenso ruhig aufeinander stillliegen, wie das Ganze auf dem Boden, auf dem es ruht. Dies ist aber nicht der Fall. Die Abschnitte und Glieder unseres Körpers stützen sich aufeinander oder hängen an einander in Gelenken, d. h. also in Berührungen oder Verknüpfungen ihrer Enden mit oder aneinander, in welchen sie sich nach zwei oder mehreren Richtungen von jeder Lage aus bewegen können. Also beim Ausrechtstehen handelt es sich nicht nur darum, daß der ganze Mensch nicht um und zu Boden fällt, sondern jeder obere Abschnitt muß auch aus dem unteren, so wie er über ihm steht, stehen bleiben, die Beine mit dem Oberkörper auf den Füßen, der Rumpf auf den Beinen, der Kops auf dem Hals. Dies könnte entweder dadurch bedingt sein, daß jedesmal der Schwerpunkt des obern Theiles, der auf einem untern ruht, gerade über den Punkten oder Achsen der Gelenke schwebend getragen oder balancirt würde, um die er sich drehen müßte, wenn er herabsallen sollte. Dies wäre aber eine sehr labile Ruhelage, d. h. es könnte bei der leisesten Erschütterung doch zum Falle kommen, und in der That ist es in den meisten Fällen gar nicht so. Die Schwerpunkte der obern Abschnitte des Körpers liegen gar nicht immer gerade über den Gelenken, in denen sie sich aus die unteren ausstützen.
Der Kops z. B. hat, wenn er aufrecht über dem Halse steht, ein merkliches Uebergewicht nach vorn, von der Stelle, wo er durch das obere Ende des Rückgrates gestützt wird, und müßte herabsallen, wenn er nicht beständig etwas nach hintenüber gehalten würde. Daher das unwillkürliche beifällige Nicken mit dem Kopfe, welches eintritt, wenn ein Mensch noch in aufrechter Haltung des Kopses