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Deutsche Rundschau.
im Spiel, die wir mit Recht gewohnt sind, als geistige Vorgänge zu betrachten. Wir beachten es nicht, aber es läßt sich Nachweisen, daß Sinneseindrücke, nicht nur des Gefühles vom Gleichgewichte, das doch auch eine Art von sinnlicher Wahrnehmung ist, sondern auch Eindrücke vom Drucke der Last unseres Körpers ans die Haut der Fußsohle, und auch die Bilder, die uns die Augen von den Dingen um uns her und damit zugleich von unserer Stellung in unserer Umgebung liefern, dazu beitragen, daß jene beständige Regulirung richtig von Statten geht. Denn es ergibt sich aus Versuchen mit aufrechtstehenden Menschen, daß die kleinen Schwankungen ihres Körpers, welche auch bei ruhigster Haltung nicht ganz fehlen, sofort größer werden, wenn man ihnen die Haut der Fußsohlen einölt und sie dadurch weniger fein empfindlich für den auf ihnen ruhenden Druck macht, und ebenso, wenn man die Augen verbindet. Sofort wird die ganze aufrechte Haltung unsicherer.
Dies wäre ja nun Wohl ganz begreiflich, wenn wir annähmen, der Mensch bemerke zunächst durch sein Gefühl von einem stärkeren Druck auf die Haut seiner Sohle und aus dem veränderten Bilde, das er von seinen Umgebungen sieht, mache er den Schluß, daß sich seine Lage im Raume verändert hat, sowie wir merken, daß wir auf der Eisenbahn in Bewegung sind, wenn die Bilder der Gegend scheinbar sich an uns vorbeibewegen; er hätte sich dies Alles sodann Wohl überlegt und danach berechnet, daß und wie er unter diesen beobachteten Umständen durch absichtliche Anstrengung seiner Bewegungsorgane dafür sorgen muß, nicht zu fallen, und endlich hätte er demgemäß mit Absicht seine Anstalten getroffen- So geht es nun freilich nicht zu, d. h. wir wissen nichts davon; aber es ist doch ein ähnlicher Hergang, d. h. eine Wechselwirkung von Eindrücken auf Haut und Augen und veränderten Anstrengungen in allerlei.Muskeln sind Wohl nicht anders begreiflich, als unter der Form, daß Ansichten von der Lage der Dinge, die aus ersteren entstehen, verwerthet sind, um letztere dieser Lage der Dinge entsprechend einzurichten. Eine directe Wechselwirkung zwischen sich verschiebenden Bildern im Auge und sich stärker oder schwächer anstrengenden Muskeln an der Hüfte, am Rücken, am Knie wie zwischen frischem Lichteinfall in das Auge und Verkleinerung der Pupille anzunehmen, würde eine Einrichtung voraussetzen, deren Vorstellung jeder Phantasie spottet, da in ihr schon alle möglichen Fälle, die einmal im Leben eintreten können und werden, vorgesehen sein müßten. Es bleibt also nur übrig, daß wir uns Vorgänge wie Wahrnehmung, Beurtheilung der Lage, Berechnung dessen, was gemäß derselben zu geschehen hat, und Wille hier wirksam denken, auch wenn es ohne Bewußtsein geschieht, und wir können sie uns auch zum Bewußtsein bringen, sobald wir auf irgend eine Lageveränderung unserer Haltung die Aufmerksamkeit hinrichten. Wir brauchen uns nur einmal vorsätzlich etwas stark rückwärts auf einem Fuß hinüberzuneigen und darauf zu achten, was nun geschieht, so fühlen und sehen und wissen wir sogleich, daß es so nicht weiter gehen kann, ohne daß wir fallen, und nun halten wir mit Fleiß gleich wieder ein und stellen uns wieder mehr nach der anderen Seite hin und damit wieder aufrecht fest.
Noch einleuchtender wird dies Alles, wenn wir den Uebergang vom Stehen zum Gehen machen. Hier haben wir die sehr bestimmte Absicht von der Stelle zu