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Deutsche Rundschau.
zu benutzen, oder auch Abwehr und Angriff zugleich mit derselben Bewegung auszuführen. Darin steht diese körperliche Hebung, wenn sie sein durchgesührt wird und nicht in ein bloßes unablässiges Zuschlägen ausartet (was heutzutage beim Pauken der Studenten häufig der Fall sein soll), in der That einzig da, daß sie die gesteigertste schnelle Regelung willkürlicher Bewegungen erfordert.
Und ähnlich denke ich mir auch, muß es beim Geigenspielen sein, wo zu gleicher Zeit einmal nach dem Lesen der Noten, nach der Vorstellung von den Tönen, welche dieselben bezeichnen, nach der Berechnung der Länge des Stückes einer Saite, welches, in Schwingung versetzt, diese Töne gibt, und nach dem Gefühle des Ausgreifens der Finger die Griffe der linken Hand auf den Saiten abgemessen werden müssen und zweitens nach dem Gefühle von der Stärke und Dauer des Tones, die der Künstler im Sinne hat in denselben hinein zu legen, der Strich des Bogens über die Saiten mit der rechten Hand ausgesührt werden muß. Es scheint kaum glaublich, dies Alles zu gleicher Zeit und in so kurzen Zeitabschnitten mit der Aufmerksamkeit zu beherrschen, und doch kann ich mir kaum denken, daß etwas davon ganz ohne Bewußtsein geschieht.
Wie anders dann wieder beim Klavierspielen. Hier werden zwar noch viel mehr Noten aus einmal gesehen, in die Vorstellungen von Tönen übersetzt und mit einem halben Dutzend Finger von zwei Händen aus den Taften gesucht, gefunden und angeschlagen. Aber die Abmessung der Distanzen zwischen den Tasten, die getroffen werden müssen, ist eine ungleich weniger feine und die Bilder der Noten fassen sich zu denen der regelmäßig wiederkehrenden Accordgruppen zusammen, ebenso die Ausgriffe von drei Fingern derselben Hand zu typisch wiederkehrenden Spreizungsgraden dieser ganzen Hand, und so entsteht in der geübten Wiederkehr des Spielens nach Noten eine Geläufigkeit von Anpassung dieser Schwingungen an die Bilder der Accorde, welche die Findung der einen an der Hand des andern fast so unbewußt willkürlich werden läßt, wie eine Reflexbewegung, und so ergibt sich schließlich auch beim Spielen ohne Noten eine eingewöhnte Reihenfolge von solchen Accorden und Griffen, und aus ihnen sofort die im Kopse vorschwebende Musik nach einer scheinbar ganz unwillkürlichen Notwendigkeit wie die Schritte beim Tanzen. Wie complicirt aber im Grunde doch immer noch die dazu nöthige Zusammenwirkuug von Bildern des Auges, Vorstellungen von Tönen und Handgriffen ist und sich in jeder einzelnen Tonfolge mit ihren Harmonien, Melodien und Rhythmus wiederholen muß, das wird sich der geübte Spieler fast nur noch klar zum Bewußtsein zu bringen vermögen wenn er sich erinnert, wie er es seiner Zeit von Note zu Note gelernt hat.
Betrachten wir auch noch die Art, wie die Hände zur Arbeit im Dienste der bildenden Kunst geleitet werden, so stehen sich hier am klarsten und deutlichsten bewußt die Bewegungen derselben zum Zwecke der Darstellung einer Form und die Bilder, die der Darstellende zuvor aus der Beobachtung geschöpft, oder in der Phantasie vor sich gehabt hat, als rein geistige Acte, von denen einer den andern bedingt, also als Vorstellung und Wille einander gegenüber. Und doch entwickelt sich bei einem geübten Zeichner nach der Natur eine so schnelle und unmittelbare Übersetzung des Bildes der Augen in die Bewegung der Hände, daß für ihn selbst das Eine fast wie eine Reflexbewegung zu folgen, er selbst