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Deutsche Rundschau.
Vorstellung und Berechnung zwischen ihnen vermittelt, so wird es gleich ungeheuer schwer denkbar, wie so viele mögliche Fälle, in denen die einen nach den anderen sich zu richten haben, in so einer festen Nervenverknüpfung vorgesehen sein könnten. Dagegen hat die Annahme von Vorgängen, die ihrer Natur nach dasselbe bleiben und leisten, wie geistige und nur nicht von der Erscheinung des Bewußtseins begleitet sind, auch in anderen Fällen etwas sehr Plausibles, so besonders bei der Verwerthung der Sinneseindrücke zu festen Vorstellungen, die auch schwerlich als bloßes Zusammenstießen mehrerer zu betrachten und ebenso wenig auf lauter bewußte Geistesoperationen znrückzuführen sind. Auch Henle führt in seiner obigen Betrachtung einmal den Begriff von „unterseelischen" Functionen ein, d. h. die nicht in dem Spiegel der Seele, im Bewußtsein auftreten. Er beschränkt denselben freilich sehr ausdrücklich nur auf Vorstellungen, aber dazu kann ich nun gar keinen Grund einsehen. Wenn eine Vorstellung latent werden und doch weiter auf andere bestimmend wirken kann, warum nicht auch eine Willensrichtung, oder die Beeinflussung dieser durch jene in Form einer Berechnung, die unbewußt angestellt wird?
Mag man sich aber den Vorgang so oder so zurechtlegen, auf alle Fälle ist es einer der schönsten Triumphe der Herrschaft des Geistes über die Organe des Körpers, wenn wir uns mit bewußter Absicht durch richtige Berechnung und sichere Ausführung der Bewegungen allmälig auf eine spielend leichte Beherrschung aller möglichen Aufgaben unter den schwierigsten Verhältnissen ein- üben. Die Freude an dieser Leistung ist es, die auch der erwachsene Mensch noch darin findet, solche Einübungen unter immer neuen Bedingungen zu versuchen, und das nennt man Sport. Wer zuerst versucht die Fährlichkeiten schwieriger Bergbesteigungen zu bestehen, der hat gewiß das volle neue Gefühl bewußter Freude an der Bethätigkeit seiner Kräfte, seiner klaren Beobachtung, sicherer und schneller Berechnung und kräftiger Anstrengung, die Schiller im Teil ausspricht:
„Wer frisch umherspäht mit gesundem Sinn,
Auf Gott vertraut und die gelenke Kraft,
Der ringt sich leicht aus jeder Fahr und Noth."
Wem es geläufig geworden ist, der wird es schließlich ebenso mechanisch und gedankenlos weiterüben, wie wir das Gehen auf ebener Straße; aber wer sich wenn es ihm nur einige Zeit gut dabei gegangen ist, schon auf eine solche eü- gewöhnte Sicherheit verläßt und die Zügel der doch noch nöthigen beständigen Auf rnerksamkeit nachläßt, der bricht den Hals.
Wenn wir nun einmal so weit gegangen sind, eine Reihe von wohlgeordneten Bewegungen auch dann noch auf gleichartige Wirkungen wie Beobachtung, Ueberlegung und Willen znrückzuführen, auch wo wir das Eingreifen dieser geistiges Vorgänge nicht mehr im Bewußtsein constatiren können, so steht nichts im Wege, daß wir, wie Henle den Einfluß des Willens auf Bewegungen schließlich M als eine andere Art von Reaction der Organe mit Reflex hingestellt hat, f umgekehrt auch bei der einfachsten Reflexaction auch latente geistige Vorgänge, Eindruck, Berechnung, Willen annehmen. Als wir zum ersten Male Athem holten fühlten wir ohne Zweifel Athemnoth, strebten, sie los zu werden und erreichtes