Hundert Jahre italienischer Bildnißmalerei.
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eburt Erst zu Anfang des 15. Jahrhunderts änderte sich dies wie durch einen
mden Zauberschlag. Der Einzelmensch besann sich auf sich selbst und entdeckte mit
angs- stolzem Staunen, daß er eins von unzähligen, verschiedenartigen Sonderwesen
r den sei. Wie ihm die Eigenart der Landschaft, in welcher er lebte, ausging, wie er
In die Verschiedenheit der Baustile alter und neuer Zeit, die ihn umgaben, bemerkte,
littel- so faßte er auch das besondere Aussehen eines jeden seiner Nebenmenschen ins
). bis Auge, und wenn er ihn liebte und ehrte, regte sich in ihm der Wunsch, sein Bildniß
nichts zu besitzen. Als Nebenfolge dieser Erkenntniß hielt Mancher auch sich selbst für
e der den besten, klügsten und schönsten von allen und glaubte daher der Nachwelt
n als einen Dienst zu erweisen, wenn er ihr ein Abbild seiner Gestalt oder doch seiner
und Gesichtszüge hinterließ.
Es ist erstaunlich, welche Fülle scharf umrissener Charakterfiguren uns aus der italienischen Staats-, Sitten- und Kunstgeschichte des 15. Jahrhunderts und der ersten Hälfte des 16. entgegentritt: die Päpste in Rom, die großen und Haupt kleinen, legitimen und illegitimen Tyrannen der Einzelländchen, die Häupter der
on der großen Familien der Handelsfreistaaten Venedig und Florenz, Kaufleute hüben,
nngen Soldführer drüben, — welche Verschiedenheit und Mannigfaltigkeit von Gestalten,
Kirche Charakteren und Leidenschaften! Dazu die Herrscher im Reiche des Geistes, die
chtun; Gottesstreiter, die Staatsmänner, die Geschichtsforscher, die Denker, die Dichter,
zroßen die Künstler jeder Art: wahrlich, so viele zu eigenartigen Charakteren entwickelte
aus; und berühmt gewordene Menschen wie damals in Italien hat es kaum jemals
ad ge- irgendwo bei einander gegeben. Natürlich aber ließen nicht nur die bereits be-
-n her rühmten Männer und Frauen ihre Bildnisse malen, sondern auch Manche, die
)ante's erst dadurch berühmt geworden sind, daß große Meister sie gemalt haben, und
er der Manche, deren Namen trotzdem vergessen worden sind, so daß sie als „Unbe-
unter kannte" in ihren Bildnissen weiterleben. Genug, der erwachende Sinn für die
Oie er- Beobachtung persönlicher Eigenthümlichkeiten fand im 15. Jahrhundert in Italien
st reichliche Nahrung an den frischen, kernigen, aus ganzem Holze geschnitzten, im
>. doch Guten wie im Bösen eigenartigen, berühmten und unberühmten Persönlichkeiten,
afe der ^ überall zahlreich erstanden; und die natürliche Folge dieser Ausbildung der
enosseii Persönlichkeiten auf der einen und der damit zusammenhängenden Ausbildung
;ens P ^ künstlerischen Vildnißblickes, wenn es so ausgedrückt werden darf, auf
ra mi der anderen Seite, war die Entwickelung einer wirklichen, selbständigen, bedeut-
;esesser sauren Bildnißkunst.
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ckichtev Die Bildhauer gingen auf diesem Gebiete den Malern voran. Die Unter- md di suchungen Bode's, Müntz', Friedländer's, Alfr. Gotthold Meyer's und Anderer
gewiß ^ssen uns die Geschichte der italienischen Bildnißp lastik schon in ziemlich deut-
ü A H^u Umrissen kennen, während es für die Geschichte der italienischen Bildniß-
diesc Ural er ei zwar nicht an einer Fülle feiner gelegentlicher Bemerkungen der besten
die si>! ^rrner, wohl aber noch an zusammenhängenden Vorarbeiten fehlt. Die Sitte,
e BÄ Verstorbenen auf feinem Grabmal darzustellen, hatte sich besonders in Tos- cheidei! ^na, wo sie ein Erbtheil der alten Etrusker war, auch im Mittelalter nicht
ze, V5 ^anz verloren und erblühte hier bei den ersten Hauchen des neuen Völkerfrühlings
zu frischem Leben. Die Verstorbenen wurden anfangs wie im Todesschlummer,