Heft 
(1891) 67
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Deutsche Rundschau.

Malerei des Zeitalters der Frührenaissance bezeichnen. Das eine von ihnen rührt von Melozzo da Forli, das andere, noch etwas ältere, von Andrea Mantegna her. Melozzo's mächtiges, hell und klar gemaltes Fresko schmückt die vatikanisch Galerie in Rom. Es stellt Papst Sixtus IV. vor, wie er, umgeben von seiner Angehörigen, den vor ihm knieenden Bart. Platina zum Präsecten der von ihm gegründeten vatikanischen Bibliothek ernennt. Die Gründung der Bibliothek, also ein geschichtlicher Vorgang, bildet freilich auch hier noch den Vorwand der Darstellung. Aber wir sehen nur die großartige Bildnißgruppe, welche Raphael zu seiner ähnlichen Darstellung des Erlasses der Decretalen Gregor's IX. be­geistert hat. Melozzo's Bild ist 1477 gemalt. Die Gruppenbildung ist noch hart, die größtentheils noch scharf im Profil gesehenen Gesichter sind noch herb. Aber es sind doch sechs zwingend wahre, durch und durch charaktervolle Gestalten und Köpfe, welche uns hier, durch den gleichen Gedanken zusammengehalten lebendig entgegentreten.

Mantegna hat gleich eine dekorativ zusammengefaßte Reihe solcher Bildniß gruppengemälde geschaffen. Es sind die 1474 vollendeten großen Familienbildei der Gonzaga in der sogenanntenOamera äsM 8xosi", in Wahrheit Wohl einem Speisezimmer, des Schlosses zu Mantua. Leicht ist es, diese Gemälde mit ihm überlebensgroßen ganzen Gestalten hart und ausdringlich zu nennen, wie mm gethan hat. Sie müssen doch auf Jeden, der ihnen unbefangen gegenübergestanden einen unauslöschlichen Eindruck gemacht haben. Etwas Handlung ist auch hi« noch in die vier großen Wandgemälde hineingebracht, welche hauptsächlich in Be­tracht kommen. Auf einem wird der Empfang von Gästen an einer Trepp dargestellt; auf einem zweiten drängen sich die Knappen mit den Pferden uni Hunden des Markgrafen. Von den beiden Hauptbildern aber stellt das ein« Ludovico Gonzaga und seine Gattin Barbara von Hohenzollern mit zweien ihre, Töchter und einigen Söhnen dar, wie sie thronend eine Botschaft empfangen das andere führt uns die Begegnung Ludovico's mit seinen beiden geistlich« Söhnen, vielleicht auch dem Sohne Rudolf, und Enkeln vor. Den dargestellt« Personen hat Friedlaender imJahrbuch der preußischen Kunstsammlungen (1883) einen besonderen Aufsatz gewidmet. Unwillkürlich erinnern uns dies Bilder des fünfzehnten Jahrhunderts in ihren Grundlagen an die großen Bildnis stücke, welche Holländer, wie Frans Hals, Rembrandt, van der Helft, im sieb zehnten Jahrhundert gemalt haben. Zwischen jenen und diesen sind in der gleich« Art nicht viele nennenswerthe Bildnißgruppen entstanden. Der Abstand in de Freiheit der Auffassung der einzelnen Persönlichkeiten und ihrer malerischen A sammenordnung ist freilich groß. Die Neuheit des Unternehmens Mantegna- aber verlieh ihm einen Jugendreiz, den wir noch heute nachempfinden; und di Verbindung dieser überlebensgroßen Familiengruppen mit einer reichen, etw phantastischen Frührenaissance-Architektur, mit Vorhängen, Blumengewinden uii landschaftlichen Durchblicken hat überhaupt Niemand dem großen Meister dc fünfzehnten Jahrhunderts nachgemacht.

Die gewonnene Uebersicht muß genügen, um darzuthun, daß das fünfzehn! Jahrhundert in Italien einen so umfassenden und zugleich einen so vielseitig« ^ Gebrauch von der Bildnißmalerei gemacht hat, wie er uns in der Vereinigt ^

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